Am 23. August 2023 veranstalteten wir eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wer darf erinnern?“ im Nachbarschaftshaus Urbanstraße. Es waren Vertreter*innen verschiedener Communitys eingeladen, um darüber zu sprechen, woran sie erinnern, welche Formen sie dazu wählen und wie mit ihren Erinnerungen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft umgegangen wird.
Der Titel „Wer darf erinnern?“ ist gewachsen aus den Erfahrungen des Korea Verbands im Kampf um die Friedensstatue. Dabei ist uns immer wieder aufgezeigt worden, wie sehr die Erinnerungskultur in Deutschland von einem weiß-deutschen und eurozentrischen Geschichtsverständnis bestimmt wird. Obwohl mit dem Aufstellen der Friedensstatue nicht nur für die koreanische Diaspora, sondern auch für viele andere Gruppen mit Migrationsgeschichte, Rassismus- und Sexismuserfahrungen und Kolonialismusbezug ein Ort der Erinnerung geschaffen wurde, weigerten sich manche Politiker*innen, die Friedensstatue als universell menschlich zu sehen und nicht nur als „persönliche“ Erinnerung einer kleinen, in ihren Augen zu vernachlässigenden Gruppe.
Ähnliche Dynamiken in der Auseinandersetzung mit stadtpolitischen Vertreter*innen gibt es auch in den Kämpfen migrantischer und nicht-weißer Menschen um Orte des Gedenkens und der Erinnerung, etwa in Bezug auf die Denkmäler für den osmanischen/türkischen Genozid an Armenier*innen und Alevit*innen, den Kampf für ein Afrikanisches Denkmal in Erinnerung an die Opfer des deutschen Kolonialismus und die Erhaltung des Denkmals der Sinti*zze und Rom*nja. Obwohl vielerorts in der Politik Prinzipien der Partizipation und Vielfalt betont werden, findet keine Anerkennung von „mitgebrachter“ Geschichte migrantischer Menschen und Menschen mit Rassismus- und Kolonialismuserfahrung statt und emanzipative Partizipationsprozesse in der Erinnerungskultur von migrantischen Selbstvertretungen werden marginalisiert. Gleichzeitig werden noch immer gestohlene Geschichte und Artefakte in deutschen Museen ausgestellt und einbehalten.
In unserer Podiumsdiskussion haben wir uns daher diesen Fragen gestellt:
Wer darf in dieser Gesellschaft erinnern? Welche Erinnerung findet öffentlichen Raum und Anerkennung – und wessen Erinnerung wird marginalisiert oder verdrängt? Wie können wir weiterhin für die Sichtbarmachung bisher unsichtbarer Geschichten kämpfen? Und wie können wir uns in diesem Kampf unabhängig von Autoritätsinstanzen machen?
Dabei war es unser Ziel, uns weiter den Geschichten und Erinnerungen voneinander anzunähern und damit weiter das Fundament für Solidarität miteinander auszubauen. Während der Veranstaltung ist noch einmal deutlich geworden: Das besondere an der sogenannten Migrationsgesellschaft ist, dass wir einander begegnen und voneinander lernen können. Die Communitys und die Zivilgesellschaft sind die Impulsgeber*innen in dem Einsatz für eine vielfältige Erinnerungskultur. Und wenn wir zusammenhalten, dann ist viel möglich.
© chioma ottakagu
Am 23. August 2023 veranstalteten wir eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Wer darf erinnern?“ im Nachbarschaftshaus Urbanstraße. Es waren Vertreter*innen verschiedener Communitys eingeladen, um darüber zu sprechen, woran sie erinnern, welche Formen sie dazu wählen und wie mit ihren Erinnerungen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft umgegangen wird.
Der Titel „Wer darf erinnern?“ ist gewachsen aus den Erfahrungen des Korea Verbands im Kampf um die Friedensstatue. Dabei ist uns immer wieder aufgezeigt worden, wie sehr die Erinnerungskultur in Deutschland von einem weiß-deutschen und eurozentrischen Geschichtsverständnis bestimmt wird. Obwohl mit dem Aufstellen der Friedensstatue nicht nur für die koreanische Diaspora, sondern auch für viele andere Gruppen mit Migrationsgeschichte, Rassismus- und Sexismuserfahrungen und Kolonialismusbezug ein Ort der Erinnerung geschaffen wurde, weigerten sich manche Politiker*innen, die Friedensstatue als universell menschlich zu sehen und nicht nur als „persönliche“ Erinnerung einer kleinen, in ihren Augen zu vernachlässigenden Gruppe.
Ähnliche Dynamiken in der Auseinandersetzung mit stadtpolitischen Vertreter*innen gibt es auch in den Kämpfen migrantischer und nicht-weißer Menschen um Orte des Gedenkens und der Erinnerung, etwa in Bezug auf die Denkmäler für den osmanischen/türkischen Genozid an Armenier*innen und Alevit*innen, den Kampf für ein Afrikanisches Denkmal in Erinnerung an die Opfer des deutschen Kolonialismus und die Erhaltung des Denkmals der Sinti*zze und Rom*nja. Obwohl vielerorts in der Politik Prinzipien der Partizipation und Vielfalt betont werden, findet keine Anerkennung von „mitgebrachter“ Geschichte migrantischer Menschen und Menschen mit Rassismus- und Kolonialismuserfahrung statt und emanzipative Partizipationsprozesse in der Erinnerungskultur von migrantischen Selbstvertretungen werden marginalisiert. Gleichzeitig werden noch immer gestohlene Geschichte und Artefakte in deutschen Museen ausgestellt und einbehalten.
In unserer Podiumsdiskussion haben wir uns daher diesen Fragen gestellt:
Wer darf in dieser Gesellschaft erinnern? Welche Erinnerung findet öffentlichen Raum und Anerkennung – und wessen Erinnerung wird marginalisiert oder verdrängt? Wie können wir weiterhin für die Sichtbarmachung bisher unsichtbarer Geschichten kämpfen? Und wie können wir uns in diesem Kampf unabhängig von Autoritätsinstanzen machen?
Dabei war es unser Ziel, uns weiter den Geschichten und Erinnerungen voneinander anzunähern und damit weiter das Fundament für Solidarität miteinander auszubauen. Während der Veranstaltung ist noch einmal deutlich geworden: Das besondere an der sogenannten Migrationsgesellschaft ist, dass wir einander begegnen und voneinander lernen können. Die Communitys und die Zivilgesellschaft sind die Impulsgeber*innen in dem Einsatz für eine vielfältige Erinnerungskultur. Und wenn wir zusammenhalten, dann ist viel möglich.
Mit dabei waren:
Kemal Karabulut (Dersim Kultur Gemeinde Berlin e.V. / Föderation der Dersim Gemeinden in Europa),
Nataly Jung-Hwa Han (Korea Verband e.V.), Tahir Della (Decolonize Berlin e.V. / ISD-Bund e.V.), Taline Akkaya (ARI e.V.) und Tayo Awosusi-Onutor (RomaniPhen e.V.).
Kimiko Suda (TU Berlin / korientation e.V.) moderiert
und Bahar Sanli vom Nachbarschaftshaus spricht zur
Begrüßung.
„Wir als Gemeinschaften sind gut beraten, das Erinnern selbst zu organisieren, denn wenn wir auf die Mehrheitsgesellschaften warten, dann kommen wir nicht richtig weiter.“
Tahir Della
„Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti*zze und Romn*ja ist aus der Bürger*innenrechtsbewegung entstanden, aus der Community heraus. Es ist nicht so, dass die Bundesregierung nach mehreren Jahren oder Jahrzehnten gemerkt hat, dass es immer noch kein Denkmal für diese mindestens halbe Million Menschen gibt, und dass sie das irgendwie aufarbeiten muss. So war es nicht. Sondern die Bürger*innenrechtsbewegung hat dafür gekämpft und zwar sehr lange – über 20 Jahre lang. Und diese Kämpfe sind eine Geschichte von Widerständen. 12 Jahre später steht die Existenz dieses Denkmals nun wieder in Frage, weil eine S-Bahn-Linie neu gebaut werden soll. Und es ist unklar: Was bedeutet das für das Denkmal und die Erinnerung an sich?“
Tayo Awosusi-Onutor
„Unsere Generation lebt mit Trauma. Wir wollen keine Rache nehmen. Wir wollen, dass die begangenen Grausamkeiten anerkannt werden, damit unsere Seele sich beruhigt. Wir wollen öffentlich an unsere Verstorbenen erinnern. Und wir geben nicht auf. Wir werden unsere Gleichstellung und unsere menschlichen Rechte voranbringen. Dafür kämpfen wir.“
Kemal Karabulut
© Dong-Ha Choe
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© Miyeon Choi
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