© Quang Nguyễn-Xuân
Angelika: Ich bin Angelika von den Omas gegen Rechts von der Stadtteilgruppe Mitte. Für mich bedeutet die Friedensstatue natürlich einerseits eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, aber sie ist gleichzeitig auch ein feministisches Thema. Wir Omas setzen uns sowohl für das eine als auch für das andere ein, und natürlich spielt die Thematik auch ganz stark in die Gegenwart rein. Denn wie man sieht, haben wir inzwischen mehr kriegerische Konflikte auf der Welt als vor oder während des Kalten Krieges. Und überall sind Frauen und Kinder und alte Menschen vor allen anderen betroffen. Insofern ist für mich diese Friedensstatue ein Sinnbild für all diese Gräueltaten und Auseinandersetzungen und eine ständige Mahnung, dass sich etwas ändern muss. Und da wir ja nun diese unsägliche Partei AfD bei uns in Deutschland haben, die dieses Land bestimmt nicht friedlicher machen wird, denke ich, dass das eine ganz wichtige Thematik auch für uns Omas ist.
Beate: Ich bin Beate vom Frauenverband Courage und ich muss sagen, ihr bringt das Thema richtig in den Fokus. So etwas mal mitzubekommen, dass so eine kleine Statue so viel anrichten kann in so manchem Gewissen, das ist schon bemerkenswert. Ihr geht in das Thema rein und ihr bohrt und bohrt und bohrt. Da seid ihr für mich vorbildlich und ich finde, dieser Kampf lohnt sich.
Anne: Ich bin Anne Hoecker, auch vom Frauenverband Courage. Für mich bedeutet die Friedensstatue erst einmal sehr viel Aufklärung. Ich habe zwar auch schon früher etwas gehört von diesen Bordellen und diesen Kriegsverbrechen, aber nichts Genaues gewusst. Das ist eine ganz wichtige und wertvolle Arbeit, dass hier überhaupt auch in Deutschland über dieses Verbrechen Aufklärung betrieben wird. Ich finde auch die Demonstrationen und verschiedenen Aktionen an der Friedensstatue toll, die es als Reaktion auf die geplante Entfernung gab. […] Ansonsten finde ich auch persönlich toll, wie die Statue da steht, oder sitzt, und wie viele Leute sich auch immer noch – nach etwa drei Jahre – da etwas durchlesen. Die Kinder setzen sich auf den Stuhl und es wird darüber gesprochen. Die Statue ist auch ein guter Treffpunkt, gerade für feministische Aktionen und Frauenthemen. Und das ist ein Gewinn für den ganzen Stadtteil.
Cordula: Ich bin Cordula vom Frauenverband Courage. Ich denke, ich bin die Älteste hier und ein typisches Nachkriegskind, würde ich sagen, im Kalten Krieg erzogen. Seit den 90er Jahren bin ich im Frauenverband Courage organisiert und dort habe ich auch das erste Mal etwas von der Trostfrauenthematik gehört. Ich finde auch den Begriff ehrlich gesagt furchtbar. Da denkt man, das rühre ja die Frauen ans Herz, die die Männer trösten dürfen oder so etwas – und dabei ist das die nackte Ausbeutung von Sexualität und Privatsphäre, das ist unglaublich. Ich habe erst jetzt so nach und nach vieles mitgekriegt und, das ist auch ein schlagendes Argument für mich, wie bedeutsam diese Statue im Bezirk ist und, dass sie weltweit aufgestellt wird. Ja – diese Geschichte, diese Schlagzeilen, das ist total aufklärend und gut. Ich bin auch unmittelbar hier aus der Nachbarschaft und rede mit tausend Leuten über die Statue – die ist eben total lebendig. Sie ist nicht so ein Denkmal, wo man dann hinreist, zum Brandenburger Tor, und jede*r macht ein Foto. Stattdessen setzt man sich auf den Stuhl, man unterhält sich mit ihr, fragt nach. Das macht die Geschichte lebendig.
Lisa: Hallo, mein Name ist Lisa. Ich komme tatsächlich nicht aus Berlin und lebe auch nicht in dem Stadtteil. Ich arbeite am International Institute of Social Studies in Den Haag und bin gerade zu Besuch. Für mich stellt die Friedensstatue einen Aufruf dar, Erinnerungskultur radikal umzudenken, also Erinnerungskultur, wie sie von weißer deutscher Seite ausgelebt wird. Das wirft eben auch die Frage auf, welche Geschichten überhaupt erinnert werden und welche werden systematisch ausgelassen? Wer ist an Geschichtsschreibung beteiligt und wer nicht und welche Konsequenzen hat das für unsere Politik und unser tägliches Miteinander? Ich bin ganz sicher, dass die Friedensstatue auch einen großen Teil dazu beiträgt, Erinnerung dekolonial-feministisch umzudenken, und mit dekolonial-feministisch meine ich auch das Verständnis, dass sexualisierte und geschlechtliche Gewalt nicht bekämpft werden können, wenn wir Kolonialismus und Rassismus nicht aufarbeiten und bekämpfen, das ist in Geschichte und Gegenwart.
Nataly: Die Omas gegen Rechts – wieso haltet ihr regelmäßig Treffen oder Kundgebungen an der Friedensstatue ab?
Angelika: Einmal geht es natürlich darum, sowohl dem Senat wie auch der allgemeinen Öffentlichkeit zu zeigen, dass diese Friedensstatue hier in den Kiez gehört und auch hierbleiben soll – das war der anfängliche Ausgangspunkt. Aber uns ist immer bewusster geworden, wie wichtig wir es finden, bestimmte Themen einmal im Monat an der Friedensstatue in einer kleinen Mahnwache anzusprechen. Wir machen manchmal Lesungen, es geht auch immer nur eine Stunde, entweder zu Gewalt an Frauen oder auch Kriegserinnerungen. Wir hatten auch schon Frauen da, die gelesen haben von den Endtagen des Krieges, aus den Erlebnissen von Menschen. Trotzdem ist das Hauptthema nach wie vor Gewalt an Frauen, in welchem Zusammenhang auch immer, aber vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen und Konflikten. Sollte der Standort der Statue nicht verlängert werden, dann werden wir auch noch öfter als Protest an der Friedensstatue zusammenkommen.
Gudrun: Was mich schon die ganze Zeit beschäftigt, ist, dass über die Genehmigung überhaupt immer wieder neu gestritten werden muss. Man kann sich dafür schämen, dass in Deutschland überhaupt um so etwas wie eine Genehmigung und um das Fortbestehen einer solchen Statue gekämpft werden muss. Ich bin eigentlich sprachlos. Ich schäme mich für die entsprechenden Politiker*innen, die nicht das Rückgrat haben, zu sagen: „Nein, diese Statue ist wichtig. Sie zeigt so viele Probleme auf und die müssen bearbeitet werden. Deswegen bleibt sie hier stehen. Fertig. Basta. Und da könnt ihr Rechten in Korea oder in Japan sagen, was ihr wollt. Sie bleibt hier stehen.“
Beate: Ich finde, so wie sie da sitzt auf dem Stuhl – das hat etwas Beständiges. Das ist für mich wie eine Oma, die mir eine Geschichte erzählen kann und will. Das hat etwas weltoffenes. Ich finde auch schön, dass die Person sitzt und noch einen Stuhl neben sich hat. Viele Denkmäler stehen oder sitzen auf dem Pferd, wie Friedrich der Große zum Beispiel. Die sind ja groß und mächtig, auch als Figuren, gegossen aus irgendeinem Material – aber die kleine Dame, die sitzt auf einem Stuhl, hat einen Stuhl daneben. Das gefällt mir sehr gut.
Anne: Das wollte ich auch sagen – diese Nahbarkeit der Statue. Eben nicht wie so ein Friedrich Wilhelm der XY., hoch zu Ross, wo man in Ehrfurcht erstarren soll. Stattdessen soll man sich neben sie setzen. Das ist die Aufforderung: Zuhören oder durchlesen! Auch diese Symbolik mit dem Vögelchen und dem Schatten ist toll gemacht. Nicht auf eine ästhetisch gekünstelte Art und Weise, sondern direkt aus dem Herzen. Ich finde, es macht sehr viel aus, dass die Statue so gestaltet ist. Ansonsten denke ich auch, dass diese Kriegsverbrechen, die dahinterstehen – Deutschland war ja eine der Imperialmächte, eine der drei Achsenmächte – den meisten Deutschen unbekannt sind. […] Und das macht die Statue umso wertvoller.
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Cordula: Dieses Denkmal hat auch etwas Generationsübergreifendes. Ich sehe manchmal fast ein Kind drin. Und was ihr alle gesagt habt, trifft auch zu. Die Oma ist eine wichtige Figur in der Geschichte der Kinder und von daher finde ich das wirklich sehr gelungen. Auch mit diesem leeren Stuhl, der so auffordert, sich hinzusetzen oder zu überlegen, wer fehlt da oder einfach auffordert weiterzudenken. Das ist das Schöne an dem Denkmal.
Linh: Oft wird es so dargestellt, als sei die Friedensstatue asiatisches Denkmal ist. Aber ich find es auch interessant, wenn gesagt wird „asiatisch“. Also so nach dem Motto: „Es hat hier nichts zu suchen.“
Anne: Ja, das stimmt, aber dieses „asiatische“, das ist natürlich so: „Ach, das ist etwas Fremdes. Das geht mich jetzt nicht so direkt was an.“ Und insofern ist das sehr problematisch. Es ist ja nicht ganz falsch [, dass es um Asien geht], weil Korea und Japan und da, wo überall Bordelle waren – China, Philippinen -, das ist Asien. Aber das impliziert dann immer gleich so: „Das geht mich nichts an.“ Das finde ich dann schwierig oder schlecht oder kann dann auch zu so einem rassistischen Denken gar verführen in der Form von: „Ach, das haben nur die Asiaten unter sich irgendwie zu verhandeln“, und „Was sollen wir hiermit in Deutschland.“ Da muss man dann erst mal diskutieren, was der Rassismus in Deutschland für einen Anteil daran hatte und, dass das eben für heute eine Bedeutung hat. Die Friedensstatue ist ein Symbol gegen sexualisierte Gewalt in Kriegen und zwar universell.
Lisa: Ja, ich finde diese Haltung sehr vielsagend, weil sie ja genau darauf hindeutet, was eben auch im deutschen Kontext oder besser noch im europäischen Kontext, als universell gelten kann und was nicht. Beispielsweise die Frage mit wem dann vermeintlich Identifizierung möglich wäre oder mit wem nicht? Ich finde, das sagt sehr viel darüber aus wessen Geschichten und wessen Leben im weißen deutschen Kontext dann als wertvoll gelten. Deshalb finde ich es eigentlich absurd. Denn selbst wenn Deutschland nicht direkt beteiligt gewesen wäre an dem Zweiten Weltkrieg und den Verbrechen, die in dem Kontext begangen wurden, wäre es dennoch relevant, weil unsere Geschichten ja alle miteinander verbunden sind. Und gerade wenn man sich als Feminist*in sieht, muss man auch diese Verbindung anerkennen, selbst wenn es keine direkte Implikation gegeben hätte. Was ja nicht der Fall ist.
Angelika: Ich finde die Äußerung auch extrem rassistisch. Ich habe aber auch schon im Bekanntenkreis solche Äußerungen gehört. Wenn ich dann gesagt habe: „Ja, es ist eben eine Friedensstatue.“, dann kam sofort: „Was heißt hier Friedensstatue? Sie sorgt doch für einen Konflikt zwischen Japan und Deutschland.“ Das sind immer so Sachen, wo ich dann denke, die Leute kennen die Geschichte nicht. Und wenn ich dann sage: „Entschuldigung, bitte, aber Japan hat mit Hitlerdeutschland kollaboriert.“ Es gab auch in Deutschland Bordelle, davon mal ganz abgesehen, wo Gefangene den SA-Leuten und wem auch immer zur Verfügung stehen mussten. Und ich versuche dann immer zu erklären, dass die Friedensstatue ja genau dafür steht, am Beispiel der „Trostfrauen“ aufzuzeigen, dass sexualisierte Gewalt in Konflikten und Kriegen aufhören muss und benannt werden muss. Und insofern ist es natürlich eine Friedensstatue. Das verstehen aber viele noch nicht. Wie gesagt, ich hatte das auch schon im Bekanntenkreis, habe sogar schon in der Familie die Diskussion gehabt. Man muss reden. Reden, reden und erklären. Immer wieder.
Linh: Hattet ihr schon schöne Begegnungen oder Beobachtungen an der Friedensstatue?
Beate: Also ich habe schon öfters gesehen, dass die Leute besinnlich dort stehen und das auch lesen. Es ist einfach toll und es ist wichtig.
Cordula: Und auch diese schöne Dekoration, die die Statue manchmal kriegt. Dieses Blumenkränzchen oder die Mütze oder einen Schal um oder so. Das ist sowas Lebendiges. Das habe ich bei keinem anderen Denkmal so erlebt, wie bei der Friedensstatue. Und das zeigt ja, wie animierend dieses Denkmal ist. Das ist wirklich ein Anstoß zum Agieren und Nachdenken und so weiter.
Anne: Ich erlebe das auch oft, was schon gesagt wurde, dass Leute stehen bleiben, oft Kinder oder Eltern mit Kindern. Jetzt einmal war es eine ganze Schulklasse. Die waren auch nicht mehr so ganz klein, vielleicht eine sechste oder siebte Klasse. Die fragten den Lehrer, was das hier ist. Und der hatte auch keine Ahnung. Und dann war ich gerade da und habe dann gesagt: „Ich kann es euch kurz erklären.“ Aber natürlich ist die Geschichte ja nun alles andere als erbaulich und erfreulich, auch für die Kinder. Der Lehrer war dann auch ein bisschen erschrocken, aber da musste er jetzt durch. Die Kinder haben sich dann auch bedankt und sie haben zugehört.
Angelika: Ja, es bleiben schon immer wieder mal Leute stehen, wenn wir dann Veranstaltungen machen und kommen auch ins Gespräch, lassen es sich erklären. Tatsächlich kommt relativ regelmäßig ein Junge vorbei, der uns auch jedes Mal was in unsere Spendenbox schmeißt. Total niedlich.
Gudrun: Ich habe nur Folgendes. Ich habe verschiedentlich mal so ein Foto, wenn wir da an der Friedensstatue standen, mit der Statue über meinen Status verbreitet. Ich weiß also, wer das sieht. Und dann war meine Schwester bei mir zu Besuch und eine Schulfreundin aus Mecklenburg, die sagte: „Lass uns da mal hingehen. Ich möchte das mal sehen.“ Und sie haben sich das alles auch erzählen lassen und fanden es toll. Und da ich ja nicht weit weg wohne, war das ein schöner Spaziergang.
Anne: Aber Nataly, du und euer Verband, ihr habt uns auch hier zusammengebracht. Das hätte man mal eben noch sagen können, dass finde ich auch wichtig. Das ist wie mit [dem Zitat]: „Aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.“ Und das ist hier auch dadurch entstanden. Es war ein wichtiger Teil, dass wir uns kennen, dass wir zusammenarbeiten. Ja, dass wir so ein Frauenpowernetzwerk sind.
© Quang Nguyễn-Xuân