© Quang Nguyễn-Xuân
Miji: Ich bin seit 2013 in Berlin und irgendwann entstand in mir das Bewusstsein, dass ich eine Migrantin bin und das hat mir vielleicht die Tür geöffnet, mich mit der Geschichte der Friedensstatue persönlich verbunden zu fühlen. Das hat mich ermutigt, dass ich mich nochmal mit der „Trostfrauen“-Geschichte beschäftigen möchte.
Hyangbok: Ich komme aus Japan, aber ich bin in Japan als Koreanerin der 3,5. Generation geboren. Ich bin eigentlich sehr spontan nach Berlin gekommen und wusste gar nicht, dass eine solche Bewegung rund um die „Trostfrauen“ hier existiert, aber ich habe hier die Solidarität zwischen koreanischen und japanischen Frauen gesehen und fand das sehr schön.
Youngsook: Ich bin schon sehr lange in Berlin. Im Laufe meiner politischen Arbeit gab es mehrere wichtige Punkte und Wendepunkte. Aber diese „Trostfrauen“-Sache ist das, woran wir seit 1990 gearbeitet haben. […] Die Friedensstatue in Berlin ist kein Resultat aber ein seong-gga-mul, ein Wahrzeichen dieser Arbeit zu den „Trostfrauen“, die ich seit den 1990er Jahren gemacht habe. Diese Friedensstatue ist für mich ein sehr wichtiger Wendepunkt in jeglicher Hinsicht, nicht nur für Korea und die koreanische Menschenrechtsarbeit, sondern auch weltweit. Meiner Meinung nach ist sie ein wichtiger Teil der Frauenrechtsbewegung, ein wichtiger Teil der Friedensbewegung, sie ist ein Resultat aller wichtiger politischer Bewegung. Ich bin sehr stolz auf die Friedensstatue, wo ich auch hinkomme, ich erzähle immer von der Friedensstatue.
Aiko: Ich kannte die Geschichte der „Trostfrauen“ so allgemein, aber ich war selbst gar nicht aktiv dabei. Als ich dann erfahren habe, dass die Friedensstatue in Berlin steht, sie aber auch schon wieder bedroht ist, musste ich unbedingt zu der Kundgebung, weil ich der Meinung war: Wenn die Statue schon steht, muss sie auch unbedingt hier bleiben. Bei der ersten Kundgebung habe ich auch spontan etwas gesagt, weil diese Thematik in Japan viel zu selten angesprochen wird, es sich aber um eine japanische Tat handelt. Und das muss wahrgenommen werden. Ich habe mich als Japanerin schon verantwortlich gefühlt, dass wir als Japaner*innen etwas tun, um diese Erinnerung zu erhalten und auch darüber zu sprechen. Seitdem bin ich immer wieder hier gewesen an der Statue und wir hatten so viele tolle Kundgebungen, nicht nur über die „Trostfrauen“-Thematik, sondern auch mit anderen asiatischen Communities, z.B. zum Anschlag in Atlanta. Wir hatten gemeinsam sehr schöne Kundgebungen und das finde ich sehr, sehr stark – weil wir die Statue haben, können wir uns zusammenfinden, und ich bin sehr dankbar dafür, auch dass wir heute zusammen sind.
Nammyoung: Durch die Erfahrung mit der Friedenstatue habe ich ziemlich viel gelernt. Ich habe nie gedacht, dass es so viele Migrant*innen in Berlin gibt, die sich so umfangreich politisch engagieren. Durch die Statue habe ich diese Bewegungen aber kennengelernt. Deswegen denke ich, dass das eine große Chance ist, einander kennenzulernen und miteinander über die eigene Geschichte und andere Geschichten zu reden.
Miji: Ich glaube, das Aufstellen der Friedensstatue hat mein Leben in Berlin sehr stark verändert, wie ich mich in Berlin selbst identifiziere und ob ich ein Gefühl von Community wahrnehme. Lange Zeit habe ich mich in Berlin wie ein Geist gefühlt – ich studierte zwar, aber ich gehörte nirgendwohin, in keine Community. Es war ein komisches Gefühl, ich dachte, ich bin so frei. Ich bin nach Berlin gekommen und wollte mich emanzipieren, deswegen wollte ich mich nirgendwo verankern, damit ich noch alles selbst entscheiden konnte. Ich habe sehr viel Zeit gebraucht, mir selbst ein Etikett zu geben – Wer bin ich? Ich bin ja in Südkorea geboren, aber ich tat mich schwer, mich Asiatin zu nennen. Ich wollte einfach kein Etikett haben. Aber in der Arbeit durch und um die Friedensstatue hat es sich sehr natürlich angefühlt, zu meiner Identität zurückzukommen und mich zu positionieren. Dazu gehört auch, meine Position nicht nur von mir aus zu denken, sondern mir auch darüber klar zu werden, wie ich in dieser Gesellschaft gelesen werde. Das war eine große Veränderung.
Aiko: Ich finde, die Friedensstatue hat sichtbar gemacht, dass das „Trostfrauen“-System und sexuelle Sklaverei Tabuthemen sind und dass auch heute hier in Deutschland sexualisierte Gewalt überhaupt nicht öffentlich angesprochen werden kann. Durch die Statue habe ich das viel bewusster wahrgenommen: „Okay, das muss man schon mal aussprechen“. Die Statue hat mir viel Mut und Bewusstsein dafür gegeben, gegen diese Situation zu kämpfen, und in diesem Kampf sind wir alle zusammengekommen. Ich bin in diesem Kampf nicht alleine und das bedeutet mir sehr viel. Viele asiatische Communities sind zusammengekommen. Ich bin jetzt 20 Jahre in Deutschland, ich habe zuerst in München studiert und meine Kommiliton*innen sind überwiegend weiße Deutsche gewesen. […] Wie toll diese asiatische Community in Berlin ist, das war mir überhaupt nicht klar, denn ich hatte überhaupt keine Berührungspunkte mit den anderen asiatischen Communities. Das, finde ich, ist ein großartiges Ergebnis von der Statue, von dem ich sehr profitiere und das mich stärkt.
Youngsook: Wenn ich zurückblicke auf die Zeit, in der ich anfing, mich mit der „Trostfrauen“-Sache zu beschäftigen, war meine persönliche Priorität zuerst, für die Würde und die Rechte der Omas – der Frauen – zu kämpfen und sie zurückzugeben. Das war sehr lange der wichtigste Punkt für mich bei dieser Arbeit, aber seit diese Friedensstatue in Berlin steht, habe ich gemerkt, dass es noch viele andere wichtige Dinge gibt, über die wir auch vorhin schon gesprochen haben – gegen Rassismus, für Menschenrechte, für die Frauenbewegung. Ich war so überwältigt, als bekannt wurde, dass die Friedensstatue abgebaut werden soll, darüber wie die Leute sich mit uns solidarisiert haben – die deutsche Bevölkerung, aber auch die koreanische Bevölkerung, bei denen normalerweise keine politische Teilhabe stattfindet, die haben gespendet, die haben mich jeden Tag angerufen und sich erkundigt, was los sei und wie der neuste Stand wäre. Die Reaktion der Menschen hat mich positiv überrascht: Das kann unsere Solidaritätsbewegung, unsere „Trostfrauen“-Sache, bewirken. Für mich ist insbesondere die Frauenbewegung sehr wichtig, weil durch die Statue viele Frauencommunities auf uns zugekommen sind, die auch Veranstaltungen machen. […] Und das können wir auch noch weiterführen, wie vorhin alle gesagt hatten, gegen Rassismus, gegen Kolonialismus, für den Frieden auf der Welt – zurzeit auch insbesondere zum Israel-Palästina-Konflikt. Die Friedensstatue vereint so viele wichtige Punkte in sich und schafft Aufmerksamkeit für all diese Themen – das macht mich sehr stolz.
Eunyoung: Ich persönlich glaube, die Friedensstatue in Berlin gibt uns die Kraft, den Kampf gegen die Diskriminierung aufzunehmen. Ich gehöre zur jüngeren Generation der 90er-Jahre-Kinder und die meisten Personen um mich herum wussten nicht gut Bescheid über die Geschichte der „Trostfrauen“, sie wissen gar nicht, dass es die Friedensstatue in Berlin gibt. Wenn ich die Friedensstatue vorstelle, sind die Reaktionen der Mädchen meist sehr überrascht, aber sie lernen gerne mehr über die Geschichte. Ich glaube, diese Friedensstatue in Berlin macht uns stark und mutig.
Hyangbok: In Japan haben wir kaum solche Statuen oder Denkmäler in der Öffentlichkeit oder auf der Straße. Manchmal gibt es zum Beispiel Denkmäler, die auf die Kolonialgeschichte aufmerksam machen, aber die stehen dann in einem Park oder an einer Universität, aber nicht an einem öffentlichen Ort. Deswegen wusste ich gar nicht, wie das wäre, auf der Straße so eine Statue zu haben. Für mich ist das wirklich ein ganz neues Gefühl und ich habe schon oft gesehen, wie Fußgänger*innen diese Statue begegnet sind – „oh, was ist das?“ – und den Text lesen. Und für mich persönlich ist das auch sehr wichtig, in Berlin eine Statue zu haben, die wie eine asiatische Frau aussieht und traditionelle koreanische Kleidung trägt. Die meisten Statuen stellen weiße Menschen dar, aber durch diese Statue habe ich das Gefühl, als asiatische Frau in Berlin repräsentiert zu sein.
Jinhyang: Ich bin wirklich sehr traurig, dass die Zeitzeuginnen, die von der japanischen Regierung nur eine Entschuldigung, keine Entschädigung, nur eine Entschuldigung verlangt haben, dass sie diese bis heute nicht erhalten haben. Inzwischen sind die meisten der Zeitzeuginnen verstorben und daher bin ich unheimlich wütend auf die japanische Regierung und auch sehr traurig. Deshalb finde ich unsere Arbeit im Korea-Verband wirklich wichtig. Wir versuchen immer, über diesen Umstand aufzuklären und so in Deutschland und in der Frauenbewegung Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit zu schaffen. Aber ich möchte auch, dass die Vergangenheit niemals zur Zukunft wird, dass solche Sachen nicht wieder passieren.
© Quang Nguyễn-Xuân
Nataly: Beim Protest für den Erhalt der Friedensstatue kam alles zusammen, was wir für die Gerechtigkeit und für die Menschenrechte eingesetzt haben – aber auch gleichzeitig bittere Enttäuschung beziehungsweise Überraschung, dass die deutsche Regierung und die deutschen Politiker*innen immer noch sagen können, die Friedenstatue sei nicht universell. All diese Argumente, dass das Leid der asiatischen Frauen nicht universell wäre, dass nur das Verbrechen zählen sollte – das ein japanisches Verbrechen ist – und dass das alles nicht zu Deutschland gehöre. Diese Perspektive so direkt zu hören und zu sehen, das hat mich wahnsinnig motiviert. […] Vorgestern ist eine Jugendgruppe vorbeigekommen. Es waren neue Mädchen dabei, die uns nur vom Sehen kannten. Und ein Mädchen hat so schöne Handbewegungen gemacht, wie beim koreanischen Tanz. Ich habe sie gefragt: Woher kennst du das? Sie hat dann gesagt: Das habe ich an der Friedensstatue gesehen. Ich habe mehrere Tänze und auch Trommeln gesehen. Da dachte ich, wow! Wir wussten das nicht, aber die Mädchen wohnen hier und haben das alles wahrgenommen. Da habe ich auch gemerkt, dass die Kämpfe ganz verschieden sein müssen. Ich persönlich mache sehr viel politische Lobby- und Vernetzungsarbeit. Aber die Veranstaltungen, die wir dann gemeinsam an der Friedenstatue gemacht haben – manchmal denken wir nur daran, wie anstrengend es war und wissen gar nicht, was das gebracht hat. Doch gerade die jungen Mädchen, die bekommen das alles mit. Das wollte ich euch sagen, denn das hat mich so sehr berührt, dass ich dachte: Genau diese Arbeit ist wichtig, das ist das, was wir machen wollen. Und es ist zwar traurig, dass die Überlebenden alle jetzt nach und nach versterben, aber das, was sie erzählt haben, bleibt. Auch die Bilder, die die Trostfrauen selbst gemalt haben – mithilfe dieser Bilder kann ich am besten mit den Jugendlichen arbeiten. Die fangen an, etwas zu diesen Bildern zu erzählen. All das, was die Überlebenden erzählt haben, was die Künstler*innen gemacht haben, was ihr gemacht habt, all das ist Geschichte und so wertvoll, auch wenn die Politiker das noch nicht sehen. Sie waren noch nie hier, sie haben nie gesehen, was wir gemacht haben. Und das macht mich manchmal so wütend, weil sie gar nicht wissen, mit welcher Liebe wir das machen und dass wir gar nicht gegen Japan sind. So wird das immer missverstanden.
Youngsook: Ja, es gab viele schöne Momente an der Statue und viele, die ärgerlich waren. Zum Beispiel lief eine Frau vorbei und schimpfte, wir hätten mit der Statue zusammen Corona hierhergebracht. Aber trotzdem gibt es mehr schöne Momente, in denen die Leute, die vorbeigingen, uns getröstet haben – und auch Fahrradfahrer haben angehalten, um uns zu ermutigen. […] Wenn ich nur drei Jahre zurückblicke – natürlich ist die Statue wichtig für mich, aber auch die Bewegung an sich hat mir so viel Spaß gemacht und mich lebendig fühlen lassen. Jeden Tag bin ich aufgestanden, bin hierhergekommen, und wir waren immer so fröhlich. Ja, das war eine tolle Aufgabe für mich, die Statue zu pflegen und zu beschützen und sie auch bekannt zu machen. So können wir die Sachen, die uns innen wichtig sind, nach außen tragen – also das hat uns die Statue geschenkt.
© Ih Miji
Nataly: Ich bin sehr froh, dass wir diesen Ort haben – viele haben gesagt, wir sollen sie an einer prominenteren Stelle aufstellen wie am Brandenburger Tor oder an der Friedrichstraße, aber ich glaube, der Standort hier ist sehr gut und es ist ganz wichtig, dass wir in der Nähe sind. An der Statue passiert immer was und so haben wir den Bezug dazu, dass wir jeden Tag hingehen können und mit Leuten sprechen können. Hier ist eher eine Wohngegend und gleichzeitig auch ein Durchgang, und dadurch haben die Leute das Gefühl, das sei jetzt ihre Statue. Sie haben sie akzeptiert. […] Dass ihr, Youngsook und Jinhyang, jeden Tag gekommen seid, da gefegt habt und Unterschriften gesammelt habt, dass ihr Freundinnen mitgebracht habt, all das war sehr, sehr wichtig. Alles, was wir gemacht haben, war gut. Und deswegen sagt man ja auch pulpuri oder Grassrootbewegung. Die Friedenstatue ist aus einer solchen Grassrootbewegung entstanden, durch uns, die wir alle den Wunsch haben, etwas Kleines zu tun – nichts Großartiges.
Youngsook: Wenn sie die Statue wegnehmen, dann kämpfen wir eben dagegen. […] Und dann, wenn sie die Statue abbauen wollen, machen wir uns keine großen Sorgen. Wir werden alles tun dagegen, es wird wieder große Demonstrationen, eine große Bewegung geben. Wenn der Druck so groß ist, dann wird auch die Bewegung stärker.
Mio: Die Statue ist ein Medium im öffentlichen Raum. Die Geschichte und die Narrative sind unsichtbar und daher braucht man ein Medium, um die Geschichte zu vermitteln. Die Statue dient auch als Zugang, als Einführung in die Geschichte. Zuerst kommt die Geschichte der „Trostfrauen“ und danach die Geschichte der koreanischen Einwanderer*innen, und schließlich auch die Geschichte von den anderen Minderheitsgruppen. Die Statue ist ein Treffpunkt der Geschichten, die von den Menschen erzählt werden, und durch die Statue können Menschen die Geschichten auch neu kennenlernen.
Youngsook: Durch die Statue kann auch der Korea Verband Bildungsarbeit machen in den Schulen mit den Kindern, die dann über das Thema lernen. […] Das geht ja nicht nur die koreanische und die japanische Community und die Erwachsenen etwas an, sondern auch die Kinder, die Schüler*innen, aber auch jüngere. Kinder gehen an der Statue vorbei und fragen ihre Eltern: „Was ist das?“ Und die Eltern erzählen dann. Deshalb glaube ich, die Friedensstatue leistet wirklich ihre Arbeit im Kiez in Moabit. Ich finde es nicht so wichtig, die Statue an einer bekannten Stelle aufzustellen, im Gegenteil – gerade in Moabit schafft sie es, im Kiez Verbundenheit zu schaffen.
Linh: Ich finde wichtig, dass man einen Ort hat, wo man zusammenkommen kann. Und auch wenn wir über andere Communities nachdenken, also auch über die asiatisch-deutschen oder asiatisch-diasporische Communities hinaus, ist es auch sehr schön für uns, ein Ort zu haben, wohin wir sie einladen können, zu uns zu kommen und mit uns zusammen etwas zu gedenken oder für etwas zu kämpfen. Die Friedensstatue kann dafür ein Ort sein. Und Nataly hat ja auch schon erzählt, wie durch die Friedenstatue auch ganz neue Verknüpfungen entstanden sind. Wir können viel besser miteinander über Kolonialismus oder Rassismuserfahrungen reden – so macht dieses Denkmal dann auch unsere Community stark, weil wir uns dadurch mit anderen vernetzen können. […]
© Miyeon Choi
Nammyoung: Als Migrantinnen erfahren wir ständig Diskriminierung wegen unserer race, weil wir Asiat*innen sind, und natürlich auch Frauen. Als ich meine Masterarbeit geschrieben habe, habe ich viele Geschichten gehört. Youngsook zum Beispiel kam als Gastarbeiterin nach Deutschland, aber es gab ein Problem mit dem Visum, es war wirklich schwierig, als Gastarbeiter*innen hier zu leben. Und während der Pandemie wurden wir ständig beschimpft, wir wurden als „Virus“ bezeichnet statt als Menschen. Hanau ist ein weiteres Beispiel oder die Ereignisse, aus denen Black Lives Matter entstanden ist. All diese Diskriminierungen, die Migrant*innen hier erfahren, kommen an der Statue zusammen. Die Friedensstatue ist wie eine Kreuzung, an der wir uns treffen und alles sammeln können, um dann gemeinsam zu weinen und zu schreien. Weil ich das gelernt habe, denke ich, dass die Friedensstatue besonders wichtig ist als politischer Ort, den wir für uns geschaffen haben.
Aiko: In Deutschland fangen wir ja auch so langsam an, gestohlene Schätze und Kunst zurückzugeben. Aber es geht nur sehr, sehr langsam voran. Japan hingegen verarbeitet diese Geschichte überhaupt nicht und auch hier gibt es kaum Bewusstsein dafür, dass Japan eine imperialistische Kolonialmacht war. Deshalb ist es umso wichtiger anzuerkennen, welch schwere Verbrechen Japan begangen hat und die Taten überhaupt als Verbrechen zu benennen. Durch die Statue können wir sagen: „Schaut mal, das ist das Mädchen, das verschleppt wurde und dann Sklaverei erfahren musste“ – wir können das anhand der Statue direkt zeigen, was ich für eine ihrer wichtigsten Funktionen halte. Die Statue macht die Opfer sichtbar, die von allen ignoriert werden, die aber weiterhin existieren. Und gerade in Deutschland ist das umso wichtiger, weil diese Seite der deutschen Geschichte kaum thematisiert wird. Die Aufarbeitung, die in Deutschland gemacht wird, beschäftigt sich mit der Täterschaft im Holocaust, was natürlich auch unheimlich wichtig ist, aber genauso war Deutschland auch eine Kolonialmacht und darüber sprechen wir viel zu wenig. Unter diesem Gesichtspunkt finde ich es auch sehr wichtig, dass die Friedensstatue hier steht.
Miji: Für mich sind auch die Begegnungen mit der älteren Generation, die durch die Friedensstatue entstehen, sehr wichtig. Ich gehöre zu einer Generation, die wenig direkten Kontakt zu den Zeitzeuginnen hat, weil viele von ihnen nicht mehr leben, aber bei der Arbeit hier mit euch bekomme ich das Gefühl, dass ich die betroffenen Frauen direkt treffe. Diese Begegnungen sind sehr wichtig für mich und die Friedensstatue macht sie möglich, wofür ich sehr dankbar bin.
Nataly: Wir haben das große Glück, dass wir mindestens fünf oder sechs Zeitzeuginnen hierher einladen konnten und direkt mit ihnen sprechen konnten, sodass wir sie wirklich spüren konnten. Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann denke ich immer an sie und bin dankbar, was sie mir gezeigt haben durch diese Begegnungen. Ihre Geschichte war am Anfang so schrecklich, aber ich habe gesehen, dass aus ihnen trotzdem so fröhliche Menschen geworden sind, weil ihnen zugehört wurde und sie dadurch gestärkt wurden. Und das gibt mir wiederum Kraft bei der Arbeit und zeigt mir, wie wichtig das ist, was wir machen.
Youngsook: Das war auch für mich ein bedeutender Moment, als Gil Won-ok 2017 hierher kam. Wir sagen immer, die Frauen seien Opfer. Dabei sind sie ja gar keine Opfer geblieben, sondern sind zu Kämpferinnen geworden [kisaengja-eso tusa – dt. vom Opfer zur Kämpferin]. Zu sehen, wie Gil Won-ok die 25-jährige Marwa Al Aliko an der Hand gehalten hat und zu ihr gesagt hat: „Du sollst nicht den Mund halten, du sollst schreien“ – das war sehr beeindruckend.
Nammyoung: Die Friedensstatue ist nicht nur für die asiatische Community, sondern auch für die Deutschen selbst sehr wichtig. Der „Trostfrauen“-Diskurs bringt auch den Diskurs in Deutschland maßgeblich voran, wie zum Beispiel das Bewusstsein über sexuellen Missbrauch, sexualisierte Gewalt und Vergewaltigungen in der NS-Zeit und im Kalten Krieg, aber auch über sexualisierte Gewalt in der Gegenwart. Diese Themen werden leider zu wenig diskutiert. Deswegen ist die Friedensstatue sehr wichtig, und nicht nur für uns und für die asiatische Community, sondern auch für die deutsche Gesellschaft. Das ist nicht unser Denkmal im exklusiven Sinn, sondern das ist unser aller Denkmal.