Dorothea Mladenova, Japanologie, Universität Leipzig
Dieser Beitrag vergleicht die Berichterstattung zur Friedensstatue in Berlin in drei japanischen Tageszeitungen (Asahi Shinbun, Mainichi Shinbun und Sankei Shinbun). Damit soll ein Eindruck davon vermittelt werden, welche Informationen zur Statue in der japanischen Öffentlichkeit verbreitet und welche Interpretationen nahegelegt werden.
Ausgangslage
Die Friedensstatue wird von der japanischen Regierung abgelehnt. Auch in großen Teilen der japanischen Gesellschaft wird sie negativ betrachtet. Dies lässt sich zwar nicht ausschließlich, aber doch in großen Teilen auf die Regierungslinie seit dem zweiten Abe-Kabinett (2012-2020), den wachsenden gesellschaftlichen Einfluss des Geschichtsrevisionismus sowie auf die überwiegend negative Berichterstattung in den Medien zurückführen. Hierbei spielt das Internet eine große Rolle, in dem die „Internet-Rechte“ (netto uyo) Korea-Hass (ken-kan) verbreitet.1 Obwohl die „Trostfrauen“ aus vielen verschiedenen Ländern kamen, richten sich Beiträge der extremen Rechten häufig ausschließlich auf die koreanischen Opfer; und oft geht es dabei gar nicht einmal um die historische Sache und ihre Aufarbeitung an sich, sondern die „Trostfrauen“-Frage dient diskursiv als Projektionsfläche für Korea-Hass und Misogynie. Nicht nur die extreme Rechte, sondern auch das Fernsehen und die Tageszeitungen berichten überwiegend negativ über die Statuen. Im besten Fall berichten sie neutral, d.h. ohne Einordnung oder Kommentar, im schlimmsten Fall reproduzieren sie geschichtsrevisionistische Argumentationsweisen.
Diese Art der Berichterstattung steht in starkem Kontrast zur progressiven Berichterstattung in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Damals bestand ein großes öffentliches Interesse an der Aufarbeitung der „Trostfrauen“-Frage. Dies endete jedoch mit der Einmischung und dem politischen Aufstieg der Geschichtsrevisionisten Mitte der 1990er Jahre.
Was ist Geschichtsrevisionismus?
Bei Geschichtsrevisionismus handelt es sich um den politisch motivierten Versuch, ein gesellschaftlich anerkanntes Geschichtsbild zu verändern, um die eigene Geschichtssicht durchzusetzen und damit ideologische Ziele in der Gegenwart zu verfolgen (vgl. Bildungsstätte Anne Frank 2020: 3). Dabei wird sich pseudowissenschaftlicher Methoden bedient, um den Anschein historischer Wahrheit zu erwecken. Die häufigste in Deutschland anzutreffende Form von Geschichtsrevisionismus ist die Leugnung oder Relativierung des Holocaust. Auf Japan bezogen bezeichnet Geschichtsrevisionismus den Versuch, die im Zuge von Kolonialismus und Imperialismus in den Kolonien und besetzten Gebieten umgesetzten Politiken sowie die durch das japanische Militär verübten Kriegsgräuel zu bestreiten, kleinzureden, zu entschuldigen oder gar zu glorifizieren. Damit soll einer aus revisionistischer Sicht „masochistischen Geschichtsauffassung“ ein patriotisches Geschichtsbild entgegengesetzt werden, das die Jugend zu (einer chauvinistischen Version von) Nationalstolz erzieht (vgl. Richter 2003; Richter 2008). Hierzu werden insbesondere rechte Medien bedient (z.B. Fernsehen, Zeitung, Manga, YouTube, Twitter/X), aber auch in Geschichtsschulbüchern konnten Geschichtsrevisionisten bewirken, dass das Thema „Trostfrauen“ verschwindet (vgl. Saaler 2005; Tawara 2018). Das Thema „Trostfrauen“ ist inzwischen aus den Schulbüchern der Mittelstufe (7.-9. Klasse) verschwunden, nachdem es Mitte der 1990er Jahre erst aufgenommen worden war.
Das Thema „Trostfrauen“ ist bei Geschichtsrevisionisten zentral. Sie streben eine Revision des Geschichtsbilds an, das durch die Kōno-Erklärung (1993) und die Murayama-Erklärung (1995) etabliert wurde. Darin wurde die Existenz der Troststationen sowie die Involvierung des japanischen Militärs bei deren Errichtung und damit die Verantwortung des japanischen Staates für das System anerkannt. Ebenso wurde die Existenz von Zwangsverschleppung anerkannt. Der Geschichtsrevisionismus wird in Japan seit dem Amtsantritt von Abe Shinzō als Premierminister (2006-2007), insbesondere seit dessen zweiter Amtszeit (2012-2020) von höchster politischer Stelle gefördert.
Japanische Geschichtsrevisionisten sind auch im Ausland tätig und führen einen regelrechten „Geschichtskrieg“ (rekishisen) gegen alle diejenigen, die an japanische Kriegsgräuel erinnern (vgl. Yamaguchi 2020). Der Begriff „Geschichtskrieg“ wurde von der Zeitung Sankei Shinbun, welche darin eine gewichtige Rolle trägt, selbst im Jahr 2014 in einer bis heute laufenden Artikelserie geprägt. Die Sankei Shinbun betreibt seit einigen Jahren die englischsprachige Plattform Japan Forward, durch die sie ihre geschichtsrevisionistischen Positionen im Ausland verbreitet.
Untersuchungsmaterial
Es werden diejenigen Zeitungen mit dem größten politischen Kontrast verglichen: die liberalen Asahi Shinbun und Mainichi Shinbun und die rechtsgerichtete Sankei Shinbun. Die Asahi hatte zu Beginn der 1990er Jahre noch rege und opferorientiert zur Frage der „Militär-Trostfrauen“ publiziert und die Verantwortung des japanischen Staates hervorgehoben. Ab dem Jahr 2014 wurde sie deswegen von konservativen Intellektuellen, Staatsvertretern und Internet-Rechten konzertiert angegriffen, was ihren Ruf nachhaltig schädigte und dazu führte, dass ihre Auflage einbrach (Yoon/Asahina 2021: 373ff.). Als Reaktion darauf wurde die Führungsriege ausgetauscht und die Berichterstattung zur „Trostfrauen“-Frage auf ein Minimum heruntergefahren.
Die Sankei Shinbun ist klar gegen die Friedensstatue und Gerechtigkeit für „Trostfrauen“. Sie widmet dem Thema dennoch, oder gerade deswegen, die meisten Artikel. Zwar hat sie eine geringere Auflage als andere Tageszeitungen, aber sie stellt ihre Inhalte online fast vollständig ohne Bezahlschranke zur Verfügung, sodass man schnell auf ihrer Online-Präsenz landet, wenn man Informationen zur Friedensstatue googelt.
Es wurden alle Artikel aus diesen drei Zeitungen gesammelt, in denen die Berliner Friedensstatue vorkommt.2 Der erste Artikel erschien bereits am 28. September 2020, dem Tag der Aufstellung, und der letzte hier betrachtete Artikel stammt vom 11. Juli 2024.
Anzahl und Umfang der Artikel
Die Asahi hat lediglich drei Artikel zur Berliner Friedensstatue, gegenüber 15 in der Mainichi und 46 in der Sankei. Die Sankei berichtet kontinuierlich bis heute, wohingegen die Berichterstattung in den beiden anderen Zeitungen im Frühjahr 2022 endet.
Die Asahi berichtet lediglich im Oktober 2020 über die Rücknahme der Aufstellungsgenehmigung durch das Bezirksamt Berlin-Mitte und deren Aufhebung sowie über das Treffen zwischen Kishida und Scholz im April 2022, bei dem Kishida die Entfernung der Statue forderte. Mit durchschnittlich 420 Schriftzeichen fallen die Artikel knapp aus. Die Artikel in der Mainichi sind im Schnitt etwas länger (550 Zeichen) und die in der Sankei Shinbun am längsten (733 Zeichen).
„Mädchenstatue“ versus „Trostfrauenstatue“
Die Statue wird in den Zeitungen jeweils unterschiedlich bezeichnet. Der offizielle Titel des Kunstwerks von Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung ist „Mädchenstatue des Friedens“ (koreanisch: Pyeonghwaui sonyeosang). Im Englischen und Deutschen hat sich dafür die Kurzbezeichnung „Statue of Peace“ bzw. „Friedensstatue“ durchgesetzt. Im Japanischen lautet die Bezeichnung heiwa no shōjozō, was meistens verkürzt mit shōjozō (Mädchenstatue) wiedergegeben wird. In konservativen Medien wird allerdings der Begriff „Trostfrauenstatue“ (ianfuzō) deutlich häufiger genutzt.3 Selbst die Regierung beschloss im Jahr 2017, nur noch von der „Trostfrauenstatue“ zu sprechen (Sankei Shinbun 03.02.2017). Der Begriff „Mädchenstatue“ wird u.a. deswegen gemieden, um rechtlich und moralisch schwierigen Frage nach der Voll- bzw. Minderjährigkeit der Betroffenen aus dem Weg zu gehen. Die Sankei Shinbun verwendet dementsprechend meist den Begriff „Trostfrauenstatue“ (176 Mal) und äußerst selten den Begriff „Mädchenstatue“ (23 Mal). In der Mainichi hingegen taucht der Begriff „Mädchenstatue“ wesentlich häufiger auf (43 Mal) als der Begriff „Trostfrauenstatue“ (10 Mal).
Eine Zeit lang setzte sich der Begriff „Trostfrauenstatue“ allgemein durch, aber mit der Aichi Triennale 2019 wurde die Bezeichnung „Mädchenstatue“ in nicht-revisionistischen Kreisen wieder allgemein gebräuchlich. Zum Einen handelt es sich dabei um die Bezeichnung eines Kunstwerks und zum anderen gibt es ja noch weitere „Trostfrauen“-Statuen, die nicht die Friedensstatue sind.
Auch die Opfer selbst werden je nach politischer Einstellung unterschiedlich bezeichnet. In aktivistischen Kreisen in Japan wird heute von „Trostfrauen des japanischen Militärs“ (nihongun ianfu) gesprochen. Revisionistische Kreise leugnen aber die Involvierung des japanischen Staates und haben daher, auch in Geschichtsbüchern, das japanische Militär im Namen gestrichen.
Knapp und neutral, aber unterschwellig gegen die Entfernung – Asahi Shinbun
Die Asahi Shinbun hält seit den rechtskonservativen Angriffen ihre Berichterstattung zum Thema „Trostfrauen“ so knapp und neutral wie möglich, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. In den kurzen Artikeln werden vor allem Fakten und Ereignisse genannt und Direktzitate aneinandergereiht. Ein eigener Kommentar oder eine Einordnung erfolgen nicht. Durch die Auswahl der Direktzitate allerdings setzt sich die Asahi deutlich von der Sankei ab. Im ersten Beitrag zur Berliner Statue vom 10. Oktober 2020 werden etwa die Aussagen des Bezirks Mitte sowie die Reaktion des Korea Verbands zitiert. Im zweiten Beitrag vom 15. Oktober 2020 werden neben dem Bezirk Mitte bzw. dem Bezirksbürgermeister (zwei Zitate) noch der japanische Chefkabinettssekretär Katō Katsunobu und das südkoreanische Außenministerium zitiert (Katō: „In Deutschland läuft ein Gerichtsverfahren [gegen den Widerruf der Aufstellungsgenehmigung] und wir werden die Entwicklungen weiterhin beobachten“; südkoreanisches Außenministerium auf einer Pressekonferenz in Seoul: „Die Regierung sollte sich nicht in zivilgesellschaftliche Angelegenheiten einmischen.“). Bemerkenswert ist es, dass in diesem Beitrag auch eine Überlebende des „Troststationen“-Systems zu Wort kommt: „Unterdessen hielt Lee Yong-soo (91), eine ehemalige Trostfrau, am 14. eine Pressekonferenz in Seoul ab und sagte: ‚Es ist falsch, auf der Entfernung der Mädchenstatue zu beharren, die ein historisches Zeugnis ist. Das ist inakzeptabel.“
Indem die Asahi auch den Korea Verband und sogar eine ehemalige „Trostfrau“ zu Wort kommen lässt, wird deren Perspektive auf das Statuenprojekt gleichrangig mit der Sicht der anderen Parteien behandelt – in der Sankei hingegen werden diese nicht direkt zitiert. Auch hat die Auswahl der übrigen Zitate in der Asahi den Effekt, dass den Gegnern der Statue nicht die Deutungshoheit überlassen wird. Wollte man eine eigene Positionierung der Asahi allein aus ihrer Auswahl der Direktzitate ableiten, so könnte man eine indirekte Kritik an der Einmischung der japanischen Regierung hineinlesen: so etwa wird das südkoreanische Außenministerium zitiert, Staaten hätten sich nicht in zivilgesellschaftliche Angelegenheiten einzumischen, aber auch die Aussage des Regierungssprechers Katō über das Gerichtsverfahren ließe sich dahingehend lesen, dass der Disput um die Statue als ein innerdeutsches Problem verstanden wird, in das sich die japanische Regierung nicht einzumischen habe.
Geschichtsrevisionismus in Reinform – Sankei Shinbun
Dem weitestgehenden Schweigen der Asahi zur Friedensstatue in Berlin steht die umfassende Berichterstattung in der Sankei Shinbun entgegen, die offen gegen die Statue anschreibt. Allein in den zwei Wochen zwischen der Aufstellung, der Entfernungsanordnung und deren Aufhebung (28. September – 14. Oktober 2020) erschienen in der Sankei 13 Artikel. Bis Ende des Jahres 2020 erschienen weitere 14 Artikel. Die Berichterstattung der Sankei Shinbun ist recht umfassend und geht inhaltlich weit über die Statue selbst hinaus. Aus der Sicht der Sankei stehe die Statue den diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan im Weg und müsse unbedingt entfernt werden.
Die Sankei stellt die Statue als rein japanisch-koreanisches, zwischenstaatliches Problem dar, in das Deutschland wahlweise von „koreanischer Seite“, von „einer koreanischstämmigen Gruppe“ oder schlicht „von Korea“ mit hineingezogen wurde. Es gibt keinerlei Bewusstsein für eine innerdeutsche oder zivilgesellschaftliche Ebene. Dies geht zunächst aus der Einordnung in die Rubriken „Internationales | Koreanische Halbinsel“ (kokusai | chōsenhantō), „Politik | politische Maßnahmen“ (seiji | seisaku) und „politische Lage“ (seikyoku) hervor sowie dass die Korrespondenten aus Seoul darüber berichten. Zudem ist „japanisch-koreanisch“ (nikkan) eines der am häufigsten verwendeten Wörter (30 Mal). Direkt zitiert werden ausschließlich Staatsvertreter, darunter überwiegend japanische und seltener südkoreanische. Alle zitierten japanischen Politiker sind gegen die Statue und fordern ihre Entfernung. Von deutscher Seite wird mit Bezirksbürgermeister von Dassel erstmals am 9. Oktober 2020 ein Politiker zitiert, und zwar mit dem Widerruf der Genehmigung der Statue, d.h. mit ablehnender Haltung.
Als verantwortlich für die Aufstellung der Statue wird zwar eine „koreanischstämmige Bürgerinitiative“ (kankokukei shimin dantai) als zentral (chūshin ni) genannt, aber es wird hervorgehoben, dass der Korean Council4 das Projekt finanziert habe. Damit wird der Eindruck einer südkoreanischen Offensive erweckt. Die Zeitung unterscheidet dabei nicht zwischen dem (südkoreanischen) Staat und der (deutschen, transnational vernetzten) Zivilgesellschaft. In einem Artikel vom 9. Oktober 2020, der die Aufforderung zur Entfernung thematisiert, heißt es etwa:
„(Seoul = Takahiro Namura) Die Tatsache, dass die örtlichen Behörden die Entfernung einer Trostfrauenstatue angeordnet haben, die im Zentrum von Berlin, der Hauptstadt Deutschlands, aufgestellt wurde, zeigt, dass die Methode der südkoreanischen Seite, im Namen der Verurteilung sexueller Gewalt gegen Frauen während des Krieges und des Appells für die Menschenrechte von Frauen weiterhin Trostfrauenstatuen aufzustellen, in der internationalen Gemeinschaft nicht mehr aufgeht.“ (Sankei Shinbun 09.10.2020)
Nicht nur wurde der Artikel vom Auslandskorrespondenten in Seoul verfasst, sondern es ist auch von einer „südkoreanischen Seite“ die Rede, womit die Grenzen zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren verwischt werden. Diese auf den Nationalstaat fixierte Perspektive, welche sowohl die Ebenen zwischen Staat und Bürgerinitiativen (die wiederum mitunter ganz entgegengesetzte Interessen haben können) als auch die Komplexität transnationaler Netzwerke und der Einwanderungsgesellschaft verkennt, habe ich bereits an anderer Stelle kritisiert (Mladenova 2022). Kritisieren lässt sich an dieser Berichterstattung außerdem eine Unkenntnis des deutschen Kontexts (etwa der Erinnerungskultur und deren postmigrantischer Wende, des Aufstellungsorts, der Zuständigkeiten, der konkreten Zusammensetzung der aufstellenden Akteure etc.). Weiterhin wird in dem Zitat der Einsatz gegen sexuelle Gewalt im Krieg und für Menschenrechte von Frauen als Vorwand bezeichnet („im Namen der“), wenn es doch eigentlich, so das Argument auf der Revisionisten, darum gehe, Japan international bloßzustellen. Weiterhin heißt es im Artikel weiter, „Südkorea“ habe die Statue „den lokalen Behörden und den Bürgern aufgezwungen“, indem sie diese „in ein bilaterales Problem mit hineingezogen“ habe (Sankei Shinbun 09.10.2020). Die Aufstellung der Friedensstatuen, die für sexuelle Gewalt im Krieg stehen, wird in diesem Beitrag als „gewaltsame Verbreitung antijapanischer Stimmung“ (han-nichi ishiki wo gōin ni sekai de hiromeru) bezeichnet, was eine eindeutige Täter-Opfer-Umkehr darstellt.
Damit wären wir bei einem weiteren Schlüsselbegriff, nämlich „anti-japanisch“ (han-nichi).5 Dieser taucht im Korpus 20 Mal auf: im Zusammenhang mit der Statue, die als „anti-japanische Trostfrauenstatue“ bezeichnet wird; im Zusammenhang mit den Mittwochsdemonstrationen, die als „Anti-Japan Demos“ (han-nichi demo) bezeichnet werden (10.10.2022); als Titel des geschichtsrevisionistischen Buchs „Anti-Japan Tribalism“ (han-nichi shuzoku shugi), das von Vertretern der Neuen Rechten in Südkorea geschrieben wurde und 2019 auf Koreanisch und Japanisch erschien. Die transnationale „Trostfrauen“-Bewegung als Ganze wird als „anti-japanische Bewegung“ (han-nichi undō) bezeichnet (10.03.2024).
Ein weiterer Schlüsselbegriff ist „Erfindung / Lüge / Fälschung“ (netsuzō). Er wird benutzt, um die von Historikern und der internationalen Gemeinschaft anerkannte Geschichtsauffassung als Lüge bzw. Erfindung der Asahi Shinbun zu diskreditieren. Diese erfundene Geschichte bzw. Geschichtsfälschung (rekishi no netsuzō) werde von der Friedensstatue in Drittländern (daisangoku) verbreitet. So heißt es etwa in einem Beitrag vom 11. Oktober 2020:
„Wenn man die Statue stehen lassen würde, könnte dies zu einer Ausbreitung historischer Fälschungen führen (rekishi no netsuzō ga hiromari kanenai), wie etwa der Behauptung, die Trostfrauen seien ‚Sexsklavinnen‘ gewesen, die gewaltsam verschleppt wurden. Diese Saat böswilliger antijapanischer Handlungen muss im Keim erstickt werden.“
Grundsätzlich entsteht beim Lesen der Sankei-Artikel der Eindruck, dass es bei der Berichterstattung vor allem darum geht, die Leser davon zu überzeugen, dass das Außenministerium und die Regierung sich um die Entfernung der Statuen und damit gegen die Verbreitung eines „falschen, anti-japanischen Geschichtsbilds“ in der Welt bemühen. Es geht hier also auch um eine innenpolitische Demonstration von Handlungsfähigkeit in Richtung (eines Teils) der LDP-Wählerschaft.
Den deutschen Kontext verstehen und Protest aus Japan ebenfalls darstellen – Mainichi Shinbun
Die Berichterstattung in der Mainichi über die Berliner Statue ist wesentlich differenzierter als die in der Sankei. Darin kommen neben Regierungssprechern und Staatsvertretern auch Aktivisten und die Aufsteller zu Wort. Gleich in ihrem ersten Bericht am 29. September 2020 wird Lee Yong-Soo, eine ehemalige „Trostfrau“, direkt zitiert, die auf der Eröffnungszeremonie eine Video-Botschaft einsprach. Auch der Korea Verband wird in diesem Beitrag indirekt mit Hintergründen zur Aufstellungsgenehmigung zitiert.
Auffallend ist, dass die Berichterstattung mit „Seoul, Berlin“ angegeben wird (und nicht lediglich mit Seoul wie im Fall der Sankei). Die Mainichi hat mit Nembutsu Haruna eine Korrespondentin vor Ort, die in den folgenden Monaten mit Klarnamen Informationen, Bilder und Interviews liefert. Über den Widerruf der Genehmigung wird nicht sofort, sondern erst am 14. Oktober berichtet, als der Widerruf zurückgenommen wurde.
Die Mainichi schreibt ebenfalls, aber weniger ausführlich als die Sankei, über die Position der japanischen Regierung und von Politikern, die gegen die Statue sind. So berichtet die Zeitung am 2. November 2020 darüber, dass das japanische Außenministerium seine Erklärung zur „Trostfrauen“-Frage ins Deutsche übersetzt und am 2. November hochgeladen habe. Am 4. und 6. November wird in gleich zwei Beiträgen der ultrakonservative Bürgermeister von Nagoya, Kawamura Takashi, zitiert, der einen offenen Brief nach Berlin schicken wollte. Kawamura wird im Bericht vom 4. November mit folgenden Worten zitiert: „Diese Statue bringt Schande über Japan.“ Interessant ist jedoch, dass am 7. November eine Bürgerinitiative aus Nagoya ebenfalls zu Wort kommt, die den Bürgermeister dazu auffordert, seinen offenen Brief zurückzuziehen und nicht gegen die Statue zu protestieren. Darüber berichtet die Sankei zum Beispiel gar nicht, da sie einzig die Gegner der Statue zu Wort kommen lässt. Eine Vertreterin der Bürgerinitiative bezeichnete den Offenen Brief von Kawamura als dessen „persönliche Meinung (dokudan)“ und wird mit folgender Aussage direkt zitiert: „Als Bürger [von Nagoya] schämen wir uns [für unseren Bürgermeister]“. Im Gegensatz zur Sankei berichtet die Mainichi also auch von Protest aus Japan gegen die Einmischung der japanischen Politik in Berlin. Der innerjapanische Protest kommt nur äußerst selten in der Presse zur Sprache. Auch berichtet die Mainichi über künstlerische Verarbeitungen der „Trostfrauen“-Geschichte, wie etwa das Theaterstück von Kurumizawa Shin „Frau Kimura vom Büro des Bürgermeisters“ („Shichō kōshitsu no Kimura-san ga“).6 Darin geht es um eine japanische Frau, die im Büro des Bürgermeisters arbeitet und einen Brief übersetzen soll, in dem dieser die Entfernung einer Friedensstatue in der deutschen Partnerstadt fordert, und die dadurch in eine Zwickmühle gerät.
Fazit
In den hier untersuchten Medien herrscht die Tendenz, die Friedensstatue – als Verlängerung der „Trostfrauen“-Problematik im Allgemeinen – vorwiegend als diplomatisches Problem zwischen Japan und Südkorea zu betrachten. Die Einmischung des japanischen Staates in innerdeutsche Angelegenheiten wird nicht explizit problematisiert. Einzig in der Mainichi finden sich gelegentlich Berichte über innerjapanische Regierungskritik. Die Aufsteller*innen der Statue werden durch alle Zeitungen hinweg fälschlicherweise als „südkoreanisch(stämmig)e Vereinigung“ bezeichnet, die Ebenen von Staat und Zivilgesellschaft werden zumeist nicht auseinandergehalten. Die inhaltliche Bedeutung der Friedensstatue als Symbol für Frauen- und Menschenrechte wird entweder nicht thematisiert oder ins Lächerliche gezogen (Sankei Shinbun). Die Bedeutung der Statue für Berlin und für Deutschland wird, mit Ausnahme eines Artikels in der Mainichi, ebenfalls nicht thematisiert, es fehlt weitestgehend an Verständnis für den innerdeutschen Kontext. Generell geht keiner der Artikel auf die Bedeutung und Wirkung der Statue innerhalb der deutschen Gesellschaft ein.
1) Zur Internet-Rechten in Japan und deren Korea-Hass siehe z.B. Merkleijn/ Wiślicki (2020); McLelland (2008).
2)Suchbegriffe: shōjozō („Mädchenstatue“) bzw. ianfuzō („Trostfrauenstatue“) + doitsu (Deutschland) bzw. berurin (Berlin)
3)So auch im japanischsprachigen Wikipedia-Eintrag zu ihr, der anscheinend von Revisionisten editiert wurde.
4)Korean Council = The Korean Council for Justice and Remembrance for the Issues of Military Sexual Slavery by Japan; eine südkoreanische NGO, die sich seit 1990 für die Belange ehemaliger „Trostfrauen“ einsetzt.
5) Der Begriff „anti-japanisch“ (han-nichi) ist ein Kampfbegriff der Neuen Rechten, den sie pauschal auf alle ihre erklärten Gegner anwendet (vgl. Itō 2019; Schäfer 2022).
6) Kurumizawa hat, inspiriert von der Aichi Triennale 2019, inzwischen mehrere Ein-Personen-Theaterstücke zum Thema „Trostfrauen“ und sexuelle Gewalt im Krieg geschrieben, darunter das Stück „Neben jenem Mädchen“ („Ano shōjo no tonari ni“, 2021) und „Hymne an Maria – Schrei des Steins“ („Mariya no sanka – ishi no sakebi“, 2022). Diese sind ein Zeichen dafür, dass jenseits der Tagespresse in Kunst und Publizistik durchaus eine Auseinandersetzung mit der „Trostfrauen“-Geschichte stattfindet.
Literatur
Bildungsstätte Anne Frank (2020): Geschichtsrevisionismus. Wie die Rechten die Geschichte umdeuten. Unterrichtsimpulse. Materialheft in Kooperation mit FAZ Schule. https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/publikationen/unterrichtsimpulse-geschichtsrevisionismus
Itō Masaaki 伊藤昌亮 (2019): Netto uha no rekishi shakaigaku. Andāguraundo heiseishi 1990-2000 nendai [Historical Sociology of the Net-Right Underground Heisei History of the 1990s–2000s]. Tokyo: Seikyūsha.
McLelland, Mark (2008): “’Race’ on the Japanese internet: discussing Korea and Koreans on ‘2-channeru’”. In: New Media and Society 10(6): 811–829.
Merkleijn, Iwona/Wiślicki, Jan (2020): „Hate Speech and the Polarization of Japanese National Newspapers“. In: Social Science Japan Journal 23(2), 259–279.
Mladenova, Dorothea (2022): „The Statue of Peace in Berlin: How the Nationalist Reading of Japan’s Wartime “Comfort Women” Backfired“. In: The Asia Pacific Journal: Japan Focus 20(4)1, https://apjjf.org/2022/4/Mladenova.html.
Richter, Steffi (2003): „Zurichtung von Vergangenheit als Schmerzlinderung in der Gegenwart“. In: Richter, Steffi/Höpken, Wolfgang (Hg.): Vergangenheit im Gesellschaftskonflikt. Ein Historikerstreit in Japan. Köln/Weimar: Böhlau-Verlag, 1–26.
Richter, Steffi (Hg.) (2008): Contested Views of a Common Past: Revisions of History in Contemporary East Asia. Frankfurt/M., New York: Campus-Verlag.
Saaler, Sven (2005): Politics, memory and public opinion. The history textbook controversy and Japanese society. München: Iudicium.
Sankei Shinbun (03.02.2017): “× ‘shōjozō’, ○ ‘ianfuzō’. Seifu ga yōgo tōitsu, Suga Yoshihide kanbōchōkan ‘sono mono zubari’” [“Falsch: ‘Mädchenstatue’, richtig: ‘Trostfrauenstatue’ – Regierung vereinheitlicht Terminologie, Kabinettschef Suga: ‘Es ist genau das, was es ist’”], https://www.sankei.com/article/20170203-Z6PQ4OVYFVIORMWX6GHBCY2JRA/.
Schäfer, Fabian (2022): “Japan’s shift to the right: Computational propaganda, Abe Shinzō’s LDP, and internet right-wingers (Netto Uyo).” In: Asia-Pacific Journal: Japan Focus 20(2)4, https://apjjf.org/2022/2/schfer.
Tawara, Yoshifumi (2018): “Comfort women, textbooks, and the rise of ‘new right’ revisionism. In: Rumiko Nishino, Pu-ja Kim und Akane Onozawa (eds.): Denying the comfort women. The Japanese state‘s assault on historical truth. London, New York, NY: Routledge, 151–165.
Yamaguchi, Tomomi (2020): “The ‘History Wars’ and the ‘Comfort Woman’ Issue: Revisionism and the Right-wing in Contemporary Japan and the U.S.”. In: The Asia Pacific Journal | Japan Focus 18(6)3, https://apjjf.org/2020/6/Yamaguchi.
Yoon, Sharon J./ Asahina, Yuki (2021): “The Rise and Fall of Japan’s New Far Right: How Anti-Korean Discourses Went Mainstream.” In: Politics & Society 49(3), 363-402. https://doi.org/10.1177/00323292211033072