Antworten und Einordnungen des Korea Verbands
Am 28. September 2020 stellte die AG „Trostfrauen“ des Korea Verbands mit offizieller Genehmigung die Friedensstatue in Moabit auf. Sie war auf Empfehlung der Kommission Kunst im Stadtraum Bezirk Mitte (KIST) genehmigt worden. Nur einen Tag nach der Aufstellung der Friedensstatue begann die japanische Regierung, die deutsche Politik unter Druck zu setzen, um die Statue entfernen zu lassen.
In einem Schreiben vom 07. Oktober 2020 widerrief das Bezirksamt Mitte daraufhin die Genehmigung und forderte den Korea Verband auf, die Friedensstatue innerhalb von einer Woche zu entfernen. In einer Pressemitteilung vom 08. Oktober 2020 begründete das Bezirksamt diese Entscheidung für die Öffentlichkeit.
Der Korea Verband und die AG „Trostfrauen“ mobilisierten daraufhin die Zivilgesellschaft und eine Entfernung der Friedensstatue konnte durch das große Engagement einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Gruppen und Einzelpersonen verhindert werden. Die BVV (Bezirksverordnetenversammlung) stimmte mehrfach für die zeitlich unbegrenzte Aufstellung der Statue an ihrem Standort am Unionsplatz.
Der damalige Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel suchte jedoch nicht das Gespräch mit uns. Seither besteht das Gefühl, dass wir nicht gehört wurden und uns nicht zu den Vorwürfen des Bezirksamts und des Bezirksbürgermeisters äußern konnten. Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle die Rhetorik des Bezirksamtes untersuchen und die hervorgebrachten Argumente einordnen bzw. ausführlich auf sie antworten.
Darlegung und Einordnung der Problematik bereits im Antrag
In der Pressemitteilung vom 08. Oktober 2020 mit dem Titel „Bezirksamt Mitte hebt Genehmigung für „Friedensstatue“ auf“ ließ der damalige Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel mitteilen, dass die Friedensstatue wieder abgebaut werden müsse. Dies sei wie folgt begründet:
„Die „Friedensstatue“ war im Vorfeld der Genehmigung in der Kommission Kunst im Stadtraum /Kunst am Bau (KIST) diskutiert und als Statement gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten gewertet worden. Eine entsprechende Gestaltung unterblieb jedoch, sodass die „Friedensstatue“ ausschließlich das Verhalten der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg thematisiert. Dies hat in Japan auf nationaler wie lokaler Ebene und auch in Berlin zu Irritationen geführt.“
Die AG „Trostfrauen“ des Korea Verbands hatte einen dreizehnseitigen Antrag eingereicht, um Erlaubnis für die Aufstellung der Friedensstatue zu erhalten. In diesem Antrag wird ausführlich die Symbolik der Statue dargelegt. Er erklärt, dass die Friedensstatue einerseits auf das Leiden der sogenannten „Trostfrauen“ aufmerksam macht und andererseits den Mut und Kampfgeist der Betroffenen ehrt. Er reflektiert also, was es braucht, um ein solches Tabuthema öffentlich zu verarbeiten und für Gerechtigkeit einzustehen. Die Friedensstatue erinnert damit an ein konkretes Verbrechen, aber funktioniert gleichzeitig als ein allgemeineres Mahnmal gegen Gewalt und für die Verpflichtung, Betroffenen Glauben zu schenken. Im Antrag wird beschrieben, dass die „Trostfrauen“-Bewegung eine transnationale feministische Bewegung ist, die dazu beigetragen hat, dass sexualisierte Gewalt als Kriegsverbrechen international, u.a. durch die UN, anerkannt wird.
Es ist daher für uns nicht nachvollziehbar, dass der Bezirksbürgermeister in der Pressemitteilung schrieb, dass „eine entsprechende Gestaltung unterblieb“, da die geplante Gestaltung offen dargelegt und letztlich von der Kommission empfohlen wurde. Es blieb hier auch unklar, wie eine „entsprechende Gestaltung“ laut Bezirksbürgermeister auszusehen habe.
Dass die Friedensstatue „in Japan auf nationaler wie lokaler Ebene […] zu Irritationen geführt [hat]“, konnte ebenfalls keine Überraschung für das Bezirksamt gewesen sein, sollte der Antrag bis zum Ende gelesen worden sein. Denn unter Punkt (5) „Reaktionen der japanischen Regierung“ wurde erklärt, dass es in der Vergangenheit bereits Fälle gegeben hatte, in denen sich die japanische Regierung um die Entfernung der Friedensstatue bemüht und sie zu einem Politikum gemacht hatte.
An derselben Stelle im Antrag wurde außerdem ausdrücklich erklärt, dass es sich bei der AG „Trostfrauen“ bzw. dem Korea Verband um eine unabhängige Organisation handelt, die keinerlei Bindung an die südkoreanische Regierung hat und dass die Friedensstatue keinesfalls als Provokation verstanden werden sollte, sondern als Mahnmal für die allgegenwärtige sexualisierte Gewalt auf dieser Welt.
Kein binationaler Konflikt
In der Pressemitteilung folgte ein direktes Zitat des damaligen Bezirksbürgermeisters:
Stephan von Dassel: „Mit der „Friedensstatue“ und ihrer Texttafel wird ein politisch-historisch belasteter und komplexer Konflikt zwischen zwei Staaten aufgegriffen, der sich nicht für die Aufarbeitung in Deutschland eignet. Der Bezirk Mitte ist Heimat für Menschen aus weit mehr als 100 Nationen, die in toleranter, offener, friedlicher und respektvoller Weise miteinander umgehen. Um dieses Miteinander nicht zu gefährden, muss das Bezirksamt in seiner Rolle als Genehmigungsbehörde grundsätzlich auf Parteinahme in zwischenstaatlichen und insbesondere historischen Konflikten verzichten.“
In diesen Sätzen stecken viele Annahmen, die es verdienen, analysiert und kommentiert zu werden. Wir möchten zunächst auf die Behauptung eingehen, dass die Friedensstatue einen „Konflikt zwischen zwei Staaten“ aufgreift.
In Deutschland fehlt grundlegendes Wissen über die Rolle, die das japanische Kaiserreich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Asien-Pazifik-Raum innehatte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts verfolgte Japan eine aggressive Expansionspolitik. 1910 wurde etwa Korea annektiert und ein brutales Kolonialregime errichtet. Mit dem Ziel der Kontrolle über China und Südostasien begann 1937 der Asien-Pazifik-Krieg. 1941 trat Japan formell in den Zweiten Weltkrieg ein. Von dem strategischen japanischen Imperialismus waren die meisten Nationen im Asien-Pazifik-Raum betroffen.
Die sogenannten „Trostfrauen“ stammten nicht nur aus Korea, sondern aus mehr als 14 verschiedenen Nationen. Zwar begann die „Trostfrauen“-Bewegung in Korea, doch wuchs sie zu einer transnationalen Bewegung heran, die auch Betroffene aus vielen anderen Ländern miteinschloss. Es ist daher schlichtweg falsch, zu behaupten, dass die „Trostfrauen“-Frage einen binationalen Konflikt darstellt und lässt auf eine eurozentrische Perspektive schließen.
Dass es sich bei dem Kampf um die Friedensstatue um einen Konflikt zwischen zwei Staaten handeln soll, suggeriert außerdem einen Konflikt auf Augenhöhe. Das ist eine falsche Annahme. Die Friedensstatue ist ein Kunstwerk, das aus der Zivilgesellschaft heraus geschaffen wurde und aus zivilgesellschaftlichem Engagement an verschiedenen Orten der Welt aufgestellt wird. Die südkoreanische Regierung ist hieran in keiner Weise beteiligt. Auch der Abbau wird nicht von der japanischen Zivilgesellschaft gefordert, sondern von einer rechtskonservativen japanischen Regierung.
Zudem wurde 2015 ein binationales Abkommen von der südkoreanischen und japanischen Regierung geschlossen, laut dem die „Trostfrauen“-Frage abschließend geregelt und geklärt sei. Dieses Abkommen wurde von Überlebenden scharf kritisiert und nicht akzeptiert, da es ohne ihre Beteiligung zustande gekommen war. Der „Konflikt zwischen zwei Staaten,“ und auch nur zwischen diesen zwei Staaten, ist also formell geklärt. Die Friedensstatue erinnert aber an die Geschichten der Überlebenden des „Trostfrauen“-Systems und andere Opfer von sexualisierter Gewalt, die immer noch für Gerechtigkeit kämpfen. Mit einem Abkommen kann man doch nicht das Erinnern und zivilgesellschaftliches Engagement verbieten!
Geschichtliche Relevanz in Deutschland
Weiterhin führt Stephan von Dassel hier aus, dass sich dieser Konflikt „nicht für die Aufarbeitung in Deutschland eignet“. Auch dieser Aussage widersprechen wir.
Zum einen waren Japan und Deutschland Verbündete im Zweiten Weltkrieg. Als Achsenmächte standen sie zusammen mit Italien im Austausch. Viele hochrangige Militärs des japanischen Kaiserreichs, die für die Kriegsführung im Zweiten Weltkrieg verantwortlich waren, waren in Deutschland militärisch ausgebildet worden. Deutsche Pharmaunternehmen profitierten von dem „Trostfrauen“-System, da das japanische Militär sich von ihnen mit Medikamenten zur Behandlung von Geschlechtskrankheiten beliefern ließ. Noch dazu waren einige deutsche Frauen gar selbst betroffen und wurden als „Trostfrauen“ vergewaltigt. Dies stellte die Niederländerin Griselda Molemans in ihrer Forschung zu „Troststationen“ im heutigen Indonesien fest. In unserem „Museum der Trostfrauen“ und seinem Vorgänger wird außerdem auf die Parallelen zwischen „Trostfrauen“-System und KZ- und Wehrmachtsbordellen während des Nationalsozialismus hingewiesen.
Erinnerung in der (Post-)Migrationsgesellschaft
Doch nicht nur die historische Verwobenheit von Deutschland und Japan rechtfertigen eine Aufarbeitung in Deutschland. So versteht sich die deutsche Gesellschaft mittlerweile selbst als eine Migrationsgesellschaft. Insbesondere im weltoffenen Berlin gibt es eine unglaublich kulturelle Vielfalt. Die Pressemittleitung von Stephan von Dassel selbst gibt an, dass in Berlin-Mitte Menschen aus „weit mehr als 100 Nationen“ leben. Menschen, die aus verschiedenen Nationen nach Berlin gekommen sind, bringen auch immer Geschichten mit. Es ist etwas Besonderes, dass wir in einer freien und offenen Gesellschaft leben, in der diese Geschichten erzählt und miteinander geteilt werden können. So können wir viel voneinander lernen und Solidarität untereinander erzeugen. Diese Vielfalt der Gesellschaft und der Geschichten sollte sich auch in unserer Erinnerungskultur und in unserem Raum ausdrücken können. Daher sind wir der Überzeugung, dass auch komplexe Geschichten wie die der „Trostfrauen“ Raum finden müssen.
Dies funktioniert auch mit anderen Denkmälern. So gibt es in Berlin zwei Denkmäler, die an den Genozid am armenischen Volk durch das osmanische Reich erinnern. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde außerdem die Errichtung eines Denkmals für das Massaker an den Dersimer Alevit*innen durch den türkischen kemalistischen Staat beschlossen.
Dass die „Friedensstatue“ ein friedliches Miteinander „gefährden“ könnte, hat sich nicht bewahrheitet und war von Anfang an eine abwegige Befürchtung, da die AG „Trostfrauen“ seit langen Jahren mit etwa der japanischen Fraueninitiative kooperiert und auch diverse japanische Mitglieder zählt. Das „Museum der Trostfrauen“ in den Räumen des Korea Verbands empfängt regelmäßig japanische Besucher*innen, denen es wichtig ist, über die Geschichte der „Trostfrauen“ zu lernen und in den Austausch zu gehen.
Die Friedensstatue fördert ein gesellschaftliches Klima, in dem wir „in toleranter, offener, friedlicher und respektvoller Weise miteinander umgehen“. So führt der Korea Verband Workshops mit Jugendgruppen und Schulklassen aus dem Bezirk Mitte und darüber hinaus durch. Zusammen wird über die Friedensstatue und ihre Geschichte gesprochen. Die Kinder und Jugendlichen, die oftmals ebenfalls eine Migrationsgeschichte haben, erkennen regelmäßig ihre eigenen Geschichten in der Friedensstatue wieder. So wird ein Austausch und Zusammenwachsen von Menschen aus verschiedensten Kontexten und Generationen möglich.
Aufklärung als Chance, keine Gefahr der Verallgemeinerung
Wir möchten nun auf den Widerruf der Genehmigung zur Aufstellung der Friedensstatue vom 07.10.2020 eingehen. Dieses Schreiben war insgesamt vier Seiten lang. Einige Argumente haben wir schon im Rahmen der Pressemitteilung untersucht. Hier werden wir uns mit einigen weiteren Passagen des Widerrufs auseinandersetzen. Auf der ersten Seite des Schreibens heißt es etwa:
„Diese einseitige Instrumentalisierung des Öffentlichen Raumes lehnt das Bezirksamt Mitte ab. Durch die historische Verengung entsteht der Eindruck, dass [sic!] Bezirksamt Mitte greife einen binationalen Konflikt zwischen Japan und Korea auf und ergreife Partei gegen Japan. Angesichts der engen partnerschaftlichen Verhältnisse zu den Städten Higashiosaka, Tsuwano und Tokio-Shinjuku, die auch zum Ziel haben überlieferte Klischees und überholte Wertungen zu überwinden bei gleichzeitiger Anerkenntnis des gesellschaftlichen Wandels in beiden Staaten, steht das Werk in der Präsentation mit dem auf und gegen Japan fixierten Begleittext den Interessen des Bezirks Mitte von Berlin und seinen Bürgerinnen und Bürgern entgegen.“
Das Argument, das hier in einen binationalen Konflikt eingegriffen würde, haben wir bereits entkräftigt. An dieser Stelle geht das Bezirksamt aber auch auf die binationalen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan ein. Es wird auf verschiedene Städtepartnerschaften des Bezirks Mitte von Berlin mit japanischen Städten hingewiesen. Diese hätten unter anderem das Ziel „überlieferte Klischees und überholte Wertungen zu überwinden bei gleichzeitiger Anerkenntnis des gesellschaftlichen Wandels in beiden Staaten“. Es wird suggeriert, dass die Friedensstatue und ihr „gegen Japan fixierte[r] Begleittext“ dieser Absicht schaden würden.
Die Friedensstatue weist auf historische Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen hin und klärt darüber auf. In diesem Sinne reproduziert sie keine „überlieferten Klischees“ oder „überholte Wertungen“, denn die meisten Menschen in Deutschland wissen vor dem Kontakt mit der Friedensstatue nichts über das Schicksal der „Trostfrauen“. Die Friedensstatue stellt keine Verurteilung oder Bewertung japanischer Kultur oder Bürger*innen im Allgemeinen dar, sondern steht für den Kampf von Betroffenen, eine Entschuldigung und Entschädigung von der japanischen Regierung zu erhalten.
Gerade in der deutschen Gesellschaft, die sich oft mit der eigenen Aufarbeitung und Erinnerung an die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus rühmt, sollte klar sein, dass Erinnerung und Aufarbeitung nicht „Klischees“ oder „überholte Wertungen“ verfestigen, sondern stattdessen „gesellschaftlichen Wandel“ fördern und somit keinerlei Gefahr für ein gegenwärtiges japanisches Selbstverständnis und Außenbild darstellen.
Den Text der Gedenktafel als „gegen Japan fixiert“ zu beschreiben ist zudem eine Übertreibung. So ist auf der Tafel eingraviert: „Im Zweiten Weltkrieg verschleppte das japanische Militär unzählige Mädchen und Frauen aus dem gesamten Asien-Pazifik-Raum und zwang sie zur sexuellen Sklaverei.“ Hier ist weder generalisierend von „Japan“ noch von „Japaner*innen“ die Rede. Stattdessen wird ein konkretes Verbrechen des japanischen Militärs thematisiert. Da das Bezirksamt wiederholt um eine Umgestaltung der Gedenktafel gebeten hatte, legte der Korea Verband auch verschiedene neue Textentwürfe vor und bat zudem um weitere Vorgaben vom Bezirksamt. Der Korea Verband wartete bis April 2024 auf Rückmeldung, die statt in Form direkter Kommunikation in einer erneuten Pressemitteilung kam, die die Friedensstatue für illegal erklärte.
Wer entscheidet über den öffentlichen Raum?
In dem Textausschnitt heißt es außerdem, dass die Friedensstatue dem Interesse der Bürger*innen des Bezirks Mitte entgegenstehe, da sie die Städtepartnerschaften gefährde. Es wäre interessant, herauszufinden, auf welcher Grundlage die Behauptung aufgestellt wurde, dass die Städtepartnerschaften in der Interessenshierarchie der Bürger*innen über der Erinnerungspolitik im Bezirk liegen. Wurden die Bürger*innen des Bezirkes hierzu befragt? Was ist mit den Bürger*innen des Bezirks, die sich aktiv für die Aufstellung der Friedensstatue eingesetzt haben? Wer also entscheidet, was das Interesse der Bürger*innen ist?
Generell scheinen im Umgang mit und der Beschreibung der Friedensstatue durch die Verwaltung verschiedene größere Fragen verhandelt zu werden. Allen voran: Wer darf entscheiden, was ein Denkmal, ein Kunstwerk oder ein Erinnerungsort im öffentlichen Stadtraum sein kann und leisten soll?
Die Friedensstatue als nahbares Denkmal
Die Friedensstatue ist kein klassisches Denkmal oder Gedenkort, wie wir sie in Deutschland oftmals noch gewöhnt sind: Weder gibt es hier ein abstrahiertes Denkmal, noch handelt es sich um eine Statue, die eine konkrete Person darstellt oder würdigt. Stattdessen haben wir es hier mit einem sitzenden Mädchen zu tun, dem Betrachtende auf Augenhöhe begegnen können. Noch dazu ist dieses Mädchen augenscheinlich asiatisch; seine Kleidung deutet darauf hin, dass sie koreanisch ist.
Kinder und Jugendliche reagieren oft positiv auf die Statue und ihre konkrete menschliche Form. So berühren Kinder gerne die glatten Wangen der Friedensstatue und setzen sich zu ihr auf den leeren Stuhl. Sie sprechen über ihre Haare oder ihre geballten Fäuste. Jugendlichen hilft oft das konkrete Beispiel der „Trostfrauen“ bzw. die Gestalt der Friedensstatue „Ari“, sich mit dem Thema der sexualisierten Gewalt auseinanderzusetzen und eine Verbindung zu anderen Kontexten zu finden und zu artikulieren. So entsteht Empathie und Identifikation durch die konkrete Form der Friedensstatue.
Erwachsene empfinden eventuell Irritation oder Unbehagen, wenn sie der Friedensstatue das erste Mal begegnen, weil sie eben solche Denkmäler im öffentlichen Raum nicht gewöhnt sind. Vielleicht verwundert es auch, dass es sich um einen nicht-weißen Menschen handelt, der hier abgebildet wird und Raum einnimmt. Doch genau diese erste Irritation kann ein Nachdenken und eine weitere Auseinandersetzung mit der Thematik anstoßen. Dass hier ein konkretes Verbrechen benannt und ein Opfer dieses Verbrechens in menschlicher Gestalt gezeigt werden, hält nicht davon ab, das Verbrechen selbst auch als ein universelleres zu verstehen und zu abstrahieren oder die Botschaft der Friedensstatue auf andere Kontexte zu übertragen. Dies geschieht, wenn Menschen mit der Friedensstatue in Berührung kommen und sich fragen „Aber was ist denn auf dem europäischen Kontinent passiert im Zweiten Weltkrieg bezüglich Gewalt gegen Frauen?“ oder „Waren hier noch andere Frauen betroffen?“ oder „Wie sieht sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Konflikten heute aus?“.
Verbindung zu anderen Communitys
Die AG „Trostfrauen“ und der Korea Verband haben über Jahrzehnte verschiedene Verbindungen mit anderen Gruppen und Organisationen, die für Gerechtigkeit und Frauenrechte kämpfen, knüpfen können, etwa mit pan-afrikanischen oder ezidischen Frauengruppen oder dem Frauenverband Courage und Omas gegen Rechts. Zusammen mit ihnen halten wir Kundgebungen an der Friedensstatue ab oder demonstrieren, etwa am Internationalen Tag für die Beseitigung sexueller Gewalt in Konflikten am 19. Juni jeden Jahres.
Für die verschiedenen asiatischen Communitys in Berlin hat die Friedensstatue zusätzlich Bedeutung, weil sie einen Ort markiert, an dem dezidiert an asiatische Geschichte erinnert wird. Der Ort wurde sich mittlerweile zu eigen gemacht, sodass nicht nur der „Trostfrauen“ gedacht wird, sondern etwa auch den Opfern der rassistischen Morde in der Gegend um Atlanta in dem Jahre 2021 und den Opfern von anti-asiatischem Rassismus allgemein. Besonders während der COVID-Pandemie zeigte sich das Ausmaß von eben diesem Rassismus.
Die Friedensstatue leistet also auf verschiedenen Ebenen wertvolle Arbeit, um Menschen in unserer Gesellschaft zusammenzubringen und einen Raum zu öffnen, an dem marginalisierte Gruppen ihre Geschichte und Gegenwart vorbringen können. Sie stellt damit einen ganz besonderen Erinnerungsort dar. Die Friedensstatue ist ein Beispiel dafür, dass neben abstrakten Denkmälern und Erinnerungsorten auch konkrete Denkmäler wie die Friedensstatue, die an die „Trostfrauen“ erinnert, eine kraftvolle und über sie hinausweisende Wirkung entfalten können. Zum einen, indem sie eine konkrete Erinnerung einfangen und sichtbar machen; zum anderen, indem sich Menschen in der Interaktion mit ihnen ganz vielfältige Kontexte und Bedeutungen erschließen. Es bedarf einer Vielzahl von verschiedenen Erinnerungsorten und -formen in unserer pluralen Gesellschaft.
„Gemeinwohlinteressen“: Außenpolitische Belange über Bürger*inneninteressen?
Wir möchten außerdem auf weitere Stellen in dem Schreiben eingehen, die in Frage stellen, wem denn eigentlich der öffentliche Raum zusteht bzw. wer darüber zu entscheiden hat. Die zuvor zitierte Stelle stammt aus dem Anschreiben des Bezirksamtes. Auf dieses folgt der offizielle Widerrufsbescheid mit einer Begründung, welche die Argumente des Anschreibens noch einmal wiederholt bzw. in manchen Fällen weiter ausführt. Unter anderem heißt es an verschiedenen Stellen:
„Aufgrund der nach Aufstellung und Enthüllung der Trostfrauenstatue bekannt gewordenen Tatsachen wie dem eingravierten Beitext und den Reaktionen der japanischen Regierung, war das Bezirksamt gehalten, die widerstreitenden Interessen abzuwägen und sich letztlich für die überwiegenden Gemeinwohlinteressen des Bundes und Landes Berlins zu entscheiden, so dass diese Statue nicht mehr ausgestellt werden kann.“
„Durch die einseitige Formulierung des Begleittextes zur Statue ist bereits eine konkrete Störung der guten außenpolitischen Beziehungen Deutschlands zu Japan eingetreten. Etwaige Städtepartnerschaften sind ebenfalls gefährdet. Der damit verbundene Austausch auf staatlicher und privater Ebene ist höher einzuschätzen, als die Auseinandersetzung der lokalen Bevölkerung mit der Skulptur vor Ort.“
„Die außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland sind höher einzuschätzen, als die Fortgeltung der Ausnahmegenehmigung zur Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes.“
Das Bezirksamt behauptet, es entspreche den „überwiegenden Gemeinwohlinteressen des Bundes und Landes Berlin“, dass die Friedensstatue abgebaut wird. Doch was sind laut Bezirksamt die Gemeinwohlinteressen? Liest man weiter, heißt es, dass „außenpolitische Belange“ und Städtepartnerschaften „höher einzuschätzen“ seien als die „Fortgeltung der Ausnahmegenehmigung“ oder gar „die Auseinandersetzung der lokalen Bevölkerung mit der Skulptur vor Ort“. Es wird also deutlich, dass die „Gemeinwohlinteressen“ wohl gleichzusetzen sind mit den Interessen der deutschen Bundesregierung und des Senats, nicht aber mit den Interessen der Berliner Bürger*innen. Wir finden, es ist definitiv streitbar, ob außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschlands einen größeren Einfluss auf die Nutzung des öffentlichen Raumes auf Bezirksebene haben sollten als die Interessen von Bürger*innen.
Im Kontrast zum Anschreiben wird hier außerdem geschrieben, dass eine Störung der deutsch-japanischen Beziehung nicht nur drohe, sondern bereits eingetreten sei. Dass die Friedensstatue eine Belastung für diplomatische Beziehungen darstellt, steht außer Frage. Immer wieder setzen japanische Regierungsvertreter*innen Politiker*innen sowohl auf Bundesebene als auch auf Lokalebene unter Druck, nicht nur in Deutschland, sondern etwa auch in den USA oder Argentinien. Dieses Schreiben macht deutlich, dass auch das Bezirksamt Mitte diesem Druck ausgesetzt war. Allerdings hat die Zeit gezeigt, dass die deutsch-japanischen Beziehungen nicht unter der Friedensstatue in Berlin-Moabit gelitten haben. Ganz im Gegenteil: Erst 2023 reiste Bundeskanzler Scholz nach Japan und verkündete, dass Deutschland und Japan sogenannte Wertepartner seien und noch enger in vielen Bereichen miteinander arbeiten wollten. Auch die Städtepartnerschaften bestehen trotz Erhaltung der Friedensstatue im öffentlichen Raum weiterhin. Kürzlich konnte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) Mittel für das Entwicklungsprojekt Tegel von Mitsubishi Electric gewinnen. Japan und Berlin wachsen sogar enger zusammen.
Generell wird an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich, dass die Friedensstatue ein Problem für den Nationalstaat Deutschland und seine Politiker*innen darstellt. Die Perspektiven und Bedürfnisse der Bürger*innen aus Nachbarschaft und Zivilgesellschaft, für die, wie erläutert, die Friedensstatue komplexe Bedeutungen hat, werden dagegen nicht gesehen oder als Priorität eingestuft.
Kein Konflikt auf Augenhöhe
Abschließend möchten wir noch auf die Pressemitteilung eingehen, die am 13.10.2020 vom Bezirksamt Mitte veröffentlicht wurde:
„Umstrittene ‚Friedensstatue‘ darf vorerst stehen bleiben“
„Stephan von Dassel: „Wir werden die Zeit nutzen, um unsere eigenen sowie die Argumente aller beteiligten Akteurinnen und Akteure in diesem komplexen Disput erneut gründlich abzuwägen. Wir wünschen uns einen Kompromissvorschlag, der den Interessen des Korea-Verbands sowie den Interessen der japanischen Seite gerecht werden kann. Es wäre begrüßenswert, das Mahnmal so zu gestalten, dass alle Beteiligten damit leben können.“
Schon der Titel „Umstrittene ‚Friedensstatue‘ darf vorerst stehen bleiben“ suggeriert einen größeren Konflikt unter Beteiligung verschiedener Gruppen. In der Pressemitteilung heißt es außerdem, „die Argumente aller beteiligten Akteurinnen und Akteure“ werde von dem Bezirksamt abgewogen. Man wolle einen Kompromiss finden, der „der Interessen des Korea-Verbands sowie den Interessen der japanischen Seite gerecht werden kann“. Durch diese Gegenüberstellung entsteht wieder der Eindruck, dass der Konflikt auf Augenhöhe stattfindet. Außerdem verstärkt die direkte Gegenüberstellung die oben bereits widerlegte Annahme, dass es sich hier um einen binationalen „Streit“ handele. Tatsächlich gibt es Menschen von der „japanischen Seite“, die sich für die „Trostfrauen“-Frage und die Friedensstatue einsetzen. Es ist fraglich, dass in der Frage um einen Gedenkort im öffentlichen Berliner Raum ein Kompromiss gefunden werden muss, der die japanische Regierung zufrieden stellt.
Ausbleibende Richtigstellungen
Es ist auch wichtig, dass wir festhalten und offenlegen, dass der Korea Verband und die AG „Trostfrauen“ mehrfach um die Veröffentlichung einer weiteren Pressemitteilung gebeten haben, die darauf eingeht, dass der Korea Verband keine Affiliation mit der südkoreanischen Regierung hat und es sich daher nicht um einen binationalen Konflikt handelt. Ebenso haben wir darum gebeten, dass der implizite Vorwurf zurückgenommen wird, dass der Korea Verband und die Friedensstatue ein friedliches Zusammenleben Menschen verschiedener Herkunft und Kultur im Bezirk Mitte gefährden.
Die Bezirksverordnetenversammlung hat über Jahre mehrfach beschlossen hat, dass die Friedensstatue dauerhaft an ihrem Ort bleiben soll. Pressemitteilungen zu diesem Umstand wurden leider bisher nicht veröffentlicht, sodass Außenstehende, die sich informieren möchten, weiterhin durch die einseitigen bzw. verkürzten Argumente und Darstellungen der Pressemitteilungen zu einem falschen Verständnis der Sachlage gelangen werden.